Im April 2021 will das neugegründete Islamkolleg die Ausbildung für angehende Imame starten. Islamische Religionsgemeinschaften setzen weiterhin auf eine eigene Imamausbildung.
Seit langem wird über eine Imamausbildung in Deutschland diskutiert. Islamische Religionsgemeinschaften bilden seit mehr als 10 Jahren ihre eigenen Imame im In-und Ausland aus. Nun will das vom Bundesinnenministerium und dem Land Niedersachsen unterstützte Islamkolleg Deutschland (IKD) in Osnabrück im April 2021 ihren ersten Ausbildungsjahrgang starten. Man wolle damit „zur erfolgreichen Beheimatung der Muslime beitragen“, sagte der Vorsitzende Esnaf Begić am Dienstag in Berlin.
Geplant ist eine zweijährige Imamusbildung, die sieben Bereiche umfassen soll: Predigtlehre, Koranrezitation, Seelsorge, politische Bildung, gottesdienstliche Praktiken, Gemeindepädagogik und soziale Arbeit. Bis zu 30 Plätze für angehende Imame, Gemeindepädagogen oder Seelsorger sind vorgesehen. In der Regel sollen sie vor der Ausbildung bereits ein Studium der islamischen Theologie abgeschlossen haben. Auch Fortbildungen für bereits tätige Imame soll es geben.
Das Islamkolleg verstehe sich als Erweiterung und Bereicherung zu anderen Einrichtungen, betonte Begić. Zudem sei man offen für eine Zusammenarbeit. Zu den Gründungsmitgliedern des Islamkolleg gehören den Angaben zufolge islamische Theologen, muslimische Personen des öffentlichen Lebens und Gemeinschaften wie der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) sowie das Bündnis Malikitischer Gemeinden Deutschland.
Der wissenschaftliche Direktor des IKD, Bülent Uçar, sagte: „Nach über 60 Jahren dauerhafter muslimischer Präsenz in Deutschland ist die Zeit längst überfällig, den Islam vollumfänglich dem Christentum und Judentum rechtlich wie strukturell gleichzustellen.“ Die Ausbildung am Islamkolleg solle der an Priester- und Rabbinerseminaren vergleichbar sein. Nach der Gründung von mehreren Instituten für islamische Theologie an deutschen Hochschulen sei es nun an der Zeit, die praktische Ausbildung mit einem Imamseminar zu etablieren. Wichtig sei dabei, die Unabhängigkeit von jeglicher staatlicher Einflussnahme aus dem In- und Ausland zu gewährleisten, betonte Uçar.
Der Vorsitzender des Islamrats Burhan Kesici begrüßt alle Bemühungen, eine Imamausbildung in Deutschland zu erweitern. Doch sei es sinnvoller und mit der Verfassung vereinbar, „wenn die Politik, die von den Gemeinden durchgeführten Ausbildungsprojekte fördert“, erklärt Kesici gegenüber IslamiQ. Stattdessen werde eine neue Struktur geschaffen, die im Gegensatz zur deutschen Verfassung stehe. „Die Imamausbildung ist Sache der islamischen Religionsgemeinschaften. Insofern bestimmen sie selbst ihre Inhalte und Kooperationspartner. Der Staat sollte nicht sich unterstützend in dieser Form einbringen“, so Kesici weiter.
Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) kritisierte schon letztes Jahr die Pläne eines Islamkolleg. „Politisch motivierte Interventionen zur Ausbildung von Imamen sind erklärungsbedürftig“, erklärt IGMG-Generalsekretär Bekir Altaş in einer Pressemitteilung. Die Imamausbildung sollte frei von äußeren, insbesondere politischen Einflüssen sein und Imame nur den Gemeindemitgliedern, ihrem Glauben und ihrem Gewissen unterworfen sein. „Vor diesem Hintergrund sind politisch motivierte Interventionen und Zahlungen staatlicher Gelder an Initiativen in vermeintlich privater Trägerschaft zur Ausbildung von Imamen erklärungsbedürftig“, so Altaş weiter.
„Es ist nicht Aufgabe des Staates, Imame auszubilden, sondern Aufgabe der Religionsgemeinschaften“, sagte indes der Vorsitzende vom DITIB-Landesverband Niedersachsen und Bremen, Ali Ünlü. Für den Schura-Vorsitzenden Recep Bilgen sei bemerkenswert, dass der Staat auf Bundes- und Landesebene auf eine beispiellose Weise in das Selbstbestimmungsrecht von Religionsgemeinschaften eingreife. „Von den problematischen Zusammensetzungen der Beiräte in den Fakultäten und den zahllosen Modellversuchen für den islamischen Religionsunterricht bis hin zu staatlich angeordneten Gründungen von Stiftungen und Trägervereinen mischen sich staatliche Stellen immer mehr in die direkten Belange von Muslimen ein und führen das verfassungsmäßig verankerte Prinzip staatlicher Neutralität ad absurdum“, erklärt Bilgen gegenüber IslamiQ. (KNA/iQ)