Im Skandal um mutmaßlich rechtsextreme Polizei-Chats ist die Zahl der Verdächtigen auf 151 gestiegen. Die Ermittler stießen auf erschreckende Fotos und Videos.
Hitler-Gruß auf Streifenwagen, Hakenkreuz aus Dienstmunition: Im Skandal um mutmaßlich rechtsextreme Chats bei nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden ist die Zahl der Verdächtigen auf 151 gestiegen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag im Landtag über rechtsextreme Polizei-Chats berichtet.
So habe ein Beamter Fotos von Weihnachtsbaum-Kugeln mit SS-Runen und „Sieg Heil“-Aufschrift gepostet. Bei einem anderen Beamten seien Fotos mit einem Hakenkreuz entdeckt worden, das aus Dienstmunition gelegt worden sei.
Andere Beamte seien auf einem Video zu sehen, wie sie die erste Strophe des Deutschlandliedes grölten. Ein Polizist habe sich in Uniform auf zwei Streifenwagen stehend fotografieren lassen, wie er den „Hitler-Gruß“ zeige. Auf dem Handy dieses Beamten seien auch Musikdateien von indizierten Bands entdeckt worden. Allein auf dem Handy eines anderen Polizisten seien mehr als 150 strafrechtlich relevante Inhalte gefunden worden. Dennoch gelte weiterhin die Unschuldsvermutung, betonte Reul.
Gegen 113 der 151 Beschäftigten seien dienst- oder arbeitsrechtliche Verfahren eingeleitet worden. Sechs Kommissaranwärter seien entlassen worden. Zwei Regierungsbeschäftigte seien abgemahnt, einer sei gekündigt worden. Von 108 Strafverfahren seien 21 bereits eingestellt worden, davon in vier Fällen gegen Auflagen.
Die 151 Verdächtigen seien nicht nur Beschäftigte des Polizeipräsidiums Essen, wo der Fall seinen Ursprung genommen hatte, sondern von Polizei- und Sicherheitsbehörden landesweit, betonte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums.
Den Ermittlern lägen mehr als 200 Datenträger vor mit etwa 25 Terabyte an Daten. Das entspreche 10,5 Millionen Stunden Film oder rund 14 Millionen Büchern. Bislang seien 40 Prozent der Datenträger ausgewertet. Mit den Ermittlungen seien mehr als 100 Beamte beschäftigt, die dafür bereits 2200 Arbeitstage verwendet hätten.
Einer der Verdächtigen steht darüber hinaus im Verdacht, einen gefesselten Deutschen mit montenegrinischen Wurzeln misshandelt zu haben. In diesem Zusammenhang werde nicht nur gegen zwei Dienstgruppenleiter, sondern auch zusätzlich gegen zwei Polizistinnen wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt ermittelt, weil sie ihn zeitweise gedeckt haben sollen.
Der 39-Jährige soll bei einem Einsatz Anfang 2019 den Mann bei dessen Festnahme in Mülheim an der Ruhr geschlagen haben. Vor Gericht gestellt worden war damals das mutmaßliche Opfer der Schläge – wegen angeblicher Falschbeschuldigung des Beamten. Im Prozess brachen dann zwei Polizistinnen ihr Schweigen und belasteten ihren Kollegen.
Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hatte in der vergangenen Woche die Suspendierung einer Polizistin aufgehoben. Der ihr vorgeworfene rechtsextreme Inhalt sei in Wahrheit eine Hitler-Parodie gewesen. Daraufhin hatte das zuständige Landesamt die Suspendierungen acht weiterer Beamter aufgehoben. (dpa, iQ)