Drogendealer, Obstverkäufer, Taxifahrer: Schauspieler und Komiker mit Migrationshintergrund finden sich oft in ähnlichen TV-Rollen wieder. Doch es tut sich etwas. Das zeigt die neue Fernsehserie „Ethno“.
Die Putzfrau mit Kopftuch, der Deutschtürke als Türsteher und der Mann mit iranischen Wurzeln als Flüchtling: Menschen mit Migrationshintergrund landen im deutschen TV immer noch häufig in Klischeerollen. „Das Fernsehen wird zwar diverser, spiegelt die Gesellschaft aber noch nicht wider“, sagt Komiker und Schauspieler Benaissa Lamroubal. Der Grund sei nicht nur das Schubladendenken vieler Zuschauer, sondern auch mancher Produzenten. Gemeinsam mit Kollegen will Lamroubal der Gesellschaft mit der neuen Serie „Ethno“ jetzt den Spiegel vorhalten. Die WDR-Produktion startet an diesem Freitag um 22.05 Uhr auf dem Spartensender One.
Seit 2007 ist der gebürtige Marokkaner Lamroubal Teil des Stand-up-Ensembles RebellComedy – eine Gruppe, in der alle Künstler Migrationshintergrund haben. Er selbst habe miterlebt, wie seine Branche diverser geworden sei. „Das ist eine Generationenfrage. Jüngere sind viel offener. Sie sind mit Migranten aufgewachsen und wollen keine Schubladen mehr», meint er. Früher habe die Minderheit auf der Bühne gestanden, heute sitze sie im bunt gemischten Publikum.
Auch viele Künstler würden die Klischees nicht mehr so bedienen wie früher, meint Lamroubal. „Vor 20 Jahren waren die Witze bei Comedians wie Erkan und Stefan oder Kaya Yanar oberflächlicher. Hauptsache es gab den schnellen Lacher“, erinnert er sich. Klar würden Migranten auch heute noch Stereotype auf der Bühne ansprechen. „Aber eher, weil sie Teil der eigenen Geschichte sind“, sagt er. Dennoch weiß auch Lamroubal: „Es gibt immer noch Menschen, die uns auf der Bühne nur auf unseren Migrationshintergrund reduzieren, ohne dass die Geschichten dahinter interessieren.“
Wie schwer es für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte im deutschen Comedy-Geschäft ist, zeigt „Ethno“. In der Dramedy, einer Mischung aus Drama und Komödie, landet Ben (Benaissa Lamroubal) in der Comedy-Szene. Diese lockt mit schnellem Geld, wenn Ben bereit ist, dem Publikum das zu geben, was es will: den Ethno-Kasper, der die Migranten-Klischees bedient. „Ich bin Araber, wir haben alle eine Bombe“, sagt Ben in einer Szene, während er mit Turban und Sprengstoffweste auf der Bühne steht.
„Die Serie karikiert (…) Mechanismen des verborgenen, offenen und auch oft unbewussten alltäglichen Rassismus in Deutschland“, sagt die Leiterin des Programmbereichs Unterhaltung beim WDR, Karin Kuhn. Das Besondere an „Ethno“: das diverse Produktionsteam. Dies betreffe nicht nur die Herkunft aus etwa 40 Ländern, sondern auch die Mischung aus Männern und Frauen, erklärt Kuhn. Es sei wichtig gewesen, einen authentischen Blick zu vermitteln und nicht den Blick der Mehrheitsgesellschaft auf Familien mit Zuwanderungsgeschichte.
Solch eine Diversität wünscht sich der Geschäftsführer der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH), Helge Albers, nicht nur im Comedy-Bereich. Seit Juni 2020 müssen Antragsteller auf Fördermittel der FFHSH deshalb einen Fragenkatalog ausfüllen – die sogenannte Diversitäts-Checkliste. Das Ziel: „Mehr Vielfalt filmen und Geschichten erzählen, die sonst ungehört bleiben.“
So wird etwa abgefragt, ob Figuren vorkommen, die nicht zur Mehrheitsgesellschaft zählen. Oder ob People of Color oder Menschen mit Behinderung zum Team gehören. Diesen Druck von außen braucht es laut Albers, um Veränderung zu schaffen. „Denn die Filmbranche ist eine sehr konservative.“ Dennoch rechne er in den nächsten zwei Jahren mit deutlichen Veränderungen. „Stereotype Rollenverständnisse werden immer häufiger aufgebrochen.“
Diese Hoffnung hat auch Lamroubal. Schließlich gebe es ja auch im realen Leben den Anwalt mit Migrationshintergrund. „Warum also nicht auch im Fernsehen?“, fragt er und gibt sich dennoch zurückhaltend: „Bis der Mensch mit Migrationshintergrund einen Anwalt spielen kann, ohne dass sich der Zuschauer verwundert die Augen reibt, dauert es wohl noch ein bisschen. Deutschland ist noch nicht so weit“. (dpa/iQ)