Antrag

Bundestag lässt Verbot der „Ülkücü-Bewegung“ prüfen

Die Bundesregierung wird dazu aufgefordert, Organisationsverbote gegen die Vereine der Ülkücü-Bewegung, darunter auch die ATIB, zu prüfen. Der Zentralrat der Muslime bedauert diesen Schritt.

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11
2020
Deutscher Diversity Tag - Wie vielfältig ist der Bundestag?
Symbolbild: Bundestag © Shutterstock, bearbeitet by IslamiQ.

Der Bundestag will die rechtsextreme türkische Organisation „Graue Wölfe“ in Deutschland stoppen. Ein gemeinsamer Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen, der am Mittwoch von der Parlamentsmehrheit gebilligt wurde, fordert die Bundesregierung auf, ein Verbot der Vereine der sogenannten Ülkücü-Bewegung zu prüfen. Sie sei rassistisch, antisemitisch und demokratiefeindlich und bedrohe die innere Sicherheit hierzulande, hieß es zur Begründung.

Mit großer Sorge habe der Zentralrat der Muslime (ZMD) die Debatte im Deutschen Bundestag über die „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V.“ (ATIB) im Zusammenhang mit den Verbotsprüfungsanträgen der sogenannten „Grauen Wölfe“ und der „Ülkücü-Bewegung“ verfolgt. „Wir bedauern sehr, dass in den Verbotsprüfanträgen, insbesondere der Fraktionen der AfD und auch der Linken, unter dem Label „Graue Wölfe“ eine aus unserer Sicht unsachgemäße und unbewiesene Assoziationskette auch zur ATIB aufgeführt wird“, erklärt der ZMD in einer aktuellen Pressemitteilung.

Die ATIB werde sich dieser Diskussion stellen und trotz der „Haltlosigkeit der Vorwürfe eine transparente Auseinandersetzung sowohl in Bezug auf seine über 30-jährige Geschichte als auch seine Gegenwart führen“. So habe sie bereits angekündigt, sich diesbezüglich Prüfinstanzen wissenschaftlicher und unabhängiger Art zu stellen und ihre Archive zu öffnen.

Bundestag begrüßt Auflösungen in Frankreich

Es sei grundlegend falsch und zurückzuweisen, dass nach Terroranschlägen Muslime und ihre Moscheen unter Generalverdacht zu stellen. „Mit den Prüfanträgen wird gegenüber den Moscheen von ATIB diesem Vorschub geleistet und der Islamfeindlichkeit weiter der Boden bereitet. Im Umgang mit Extremismus jeglicher Art braucht es keinen politischen Aktionismus und keine Symbolpolitik, sondern konkrete, präventive Schritte und auf konkreten Straftaten, die Strafverfolgung“, so der ZMD abschließend.

Die französische Regierung hatte vor zwei Wochen die „Grauen Wölfe“ in ihrem Land aufgelöst. Sie schürten Diskriminierung und Hass und seien an Gewaltaktionen beteiligt, lautete die Begründung. Im jetzt gebilligten Antrag wird das französische Vorgehen vom Bundestag ausdrücklich begrüßt. „Er verbindet damit die Hoffnung, dass weitere Staaten diesem Beispiel folgen.“ (dpa, iQ)

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Die ATIB hat sich schon x-mal von den Grauen Wölfen distanziert und nachgewiesen, dass sie mit den Grauen Wölfen nichts zu tun hat. Vielmehr ist ATIB eine von Grauen Wölfen verspottete Organisation. Die Organisation der Grauen Wölfe in Deutschland ist ATDÜF (auch bekannt als "Türkische Föderation"). Und nicht ATIB. ATIB hat sich seit ihrer Gründung für Völkerverständigung und friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft eingesetzt, ihre Mitglieder sind nie kriminell aufgefallen. Wer der ATIB weiterhin eine Nähe zu den Grauen Wölfen unterstellt und die ATIB kriminalisiert, der offenbart damit nur seine eigene Böswilligkeit, weil es ihm vielmehr um Machtausübung geht als um Wahrheit. Dahinter steckt eine krankhafte Psyche gepaart mit Paranoia. Es ist in der Politik zur Mode geworden, Islamverbände der Reihe nach zu diskreditieren. Das ist nicht nur asozial, sondern auch Dynamit gegen das friedliche Zusammenleben, für den sich die Islamverbände so sehr einsetzen. Aber asozial zu sein ist das Grundwesen der Politik im 21. Jahrhundert, weil in der Gegenwart Interessenpolitik mit postfaktischen Methoden gemacht wird. Armes Deutschland. Insofern ist es absolut nachvollziehbar, dass der ZMD sich mit ATIB solidarisiert. Die anderen Islamverbände sind auch gut beraten, sich mit ATIB zu solidarisieren. Denn nur gemeinsam ist man stark. Die ATIB ist gut beraten, einen Strafantrag gegen die Bundestagsabgeordneten zu stellen, welche die ATIB vor laufenden Kameras verunglimpft haben. Videoaufnahmen sind sehr gute Beweismittel, um Straftaten zu dokumentieren bzw. zu belegen. Jene Bundestagsabgeordnete erfüllen den Straftatbestand der Verleumdung und Volksverhetzung und dürfen nicht ungestraft davonkommen. Schließlich leben wir hier in einem Rechtsstaat. Zumindest noch jedenfalls. Aber das kann sich schlagartig ändern, wenn Religionsgemeinschaften untätig bleiben und Politikern nicht auf die Finger klopfen. Schließlich sind Religionsgemeinschaften unbestritten eine tragende Säule und moralische Instanz der Gesellschaft. Wenn die Religionsgemeinschaften ihrer Verantwortung nicht nachkommen, dann verdirbt die Gesellschaft, welche dann krankhafte Politiker hervorbringt. Und krankhafte Politiker stürzen ein ganzes Land ins Verderben. Möge Gott uns davor bewahren.
20.11.20
14:45
Dilaver Çelik sagt:
Auf der anderen Seite dürfen wir nicht darüber hinwegsehen, dass der türkische Nationalismus auch Spielarten aufweist, welche höchst problematisch sind. Das fängt schon damit an, dass Menschen generalisiert nach ihrer Herkunft beurteilt werden, bis hin zu Feindbildern mit offenem Rassismus oder offener Feindschaft gegen alles und jeden, der "nicht dazugehört". Eine weitere problematische Spielart ist, dass der Islam lediglich als Identifikationsmerkmal der eigenen Nationalität aufgefasst wird anstatt als eine über allen nationalen Grenzen hinweg übergeordnete Identität. In so einer Denkweise ist kein Platz für islamische Gemeinschaften (Jama'at), welche Nationalismus ablehnen sowie Nationalität bei ihnen nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle spielt. Jene islamische Gemeinschaften werden dann nicht gemocht oder sogar als potentielle Landesverräter erachtet. Diese Denkweise verstößt zum einen eklatant gegen das Prinzip der islamischen Geschwisterlichkeit sowie gegen das islamische Prinzip, das Geschöpf dem Schöpfer zuliebe zu lieben; zum anderen ist es eine Gefahr für den inneren Frieden. Diese Probleme wurden auch damals von den Gründungsmitgliedern der ATIB erkannt, was letzten Endes zur Gründung der ATIB geführt hat.
20.11.20
15:27
Dilaver Çelik sagt:
Mit Aufklärungsarbeit, Dekonstruktion von Nationalität als Konstruktion der Moderne, Stärkung des Selbstwertgefühls von Jugendlichen und ihnen eine Perspektive zu geben wäre gegen das Problem weit mehr getan als Verbote. Verbote führen lediglich zur Schließung von Vereinsräumlichkeiten, nicht jedoch zum Verschwinden von Menschen, welche diese Vereine bilden. Und erst recht nicht zum Verschwinden von nationalistischen Aktivitäten, weil Aktivitäten heute über soziale Medien spontan organisiert werden können. Zudem wäre ein Verbot eine Bestätigung für die Betroffenen, dass sie mit ihrer Ideologie recht haben. Ein Verbot würde das Problem nur verstärken. Aufklären und Jugendliche auffangen statt Verbote. Dann wäre viel mehr erreicht als erwartet.
21.11.20
17:57