In einer Petition fordern Wissenschaftler die Karikaturen über den Propheten Muhammad (s) zum Pflichtthema im Unterricht zu machen. Voraussetzung sei ein religionssensibler Umgang.
Eine auf der Plattform change.org gestartete Petition will die Auseinandersetzung mit den Karikaturen über den Propheten Muhammad zu einem „Pflichtthema an deutschen Schulen“ machen. Voraussetzung sei ein religionssensibler Umgang mit den umstrittenen Zeichnungen, heißt es in der von Tarek Badawia und Markus Tiedemann gestarteten Petition. Badawia ist Professor für Islam, Religionspädagogik und Religionslehre an der Uni Erlangen-Nürnberg, Tiedemann ist Professor für Didaktik der Philosophie und Ethik an der Technischen Universität Dresden.
Die bislang (Stand: Donnerstagmittag) 163 Unterzeichner zeigen sich besorgt um „die wechselseitige Achtung von Meinungs- und Religionsfreiheit“. In einem „subjekt- und lebensweltorientierten Unterricht“ müsse thematisiert werden können, was in der Gesellschaft umstritten sei. „Methodisch bedeutet dies unter anderem, dass die Betrachtung der Karikaturen optional, der gewaltfreie Diskurs im Zeichen der Anerkennung hingegen obligatorisch ist.“
Einschüchterung, Bedrohung oder Diffamierung von Lehrern dürfe in keiner Weise geduldet werden. „Um mögliche Überforderung der Lehrkräfte zu vermeiden, wäre die Thematisierung des Dilemmas der Karikaturen in einem interdisziplinären oder interreligiösen Lernumfeld empfehlenswert.“ Die Petition, so heißt es weiter, verstehe sich als Denkanstoß und solle „einen Rahmen für nachfolgende Debatten umreißen“.
Der evangelische Theologe Wolfgang Huber kritisierte die Forderungen in einem Gastbeitrag für die „Zeit“ (Donnerstag) als unausgegoren. Das in der Petition geschilderte Dilemma zwischen Meinungs- und Religionsfreiheit sehe er hierzulande nicht, schreibt der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. „In keinem der Länder, in denen die Karikaturen über den Propheten veröffentlicht wurden, wird die Religionsfreiheit eingeschränkt. Deren Verletzung ist vielmehr genau in solchen Ländern zu beklagen, in denen zu gewaltsamen Reaktionen auf die Karikaturen aufgerufen wurde.“
Insofern tauge das in der Petition beschriebene Dilemma nicht als Pflichtthema an deutschen Schulen, so Huber. „Das Verhältnis von Religion und Gewalt dagegen sehr.“
Für Duran Terzi, IRU-Lehrer in Düsseldorf, sei es wichtig, die Reaktionen muslimischer Schüler richtig zu deuten. Nicht jede Reaktion sei „religiös“. „Für einen Schüler, der sich in der Gesellschaft als gedemütigt sieht, sind diese Karikaturen nur eine Ausrede. Das Gefühl der Herabsetzung eigener Überzeugungen kann Erinnerungen an diskriminierende Vorfälle wie bei einer Wohnungssuche oder auf dem Arbeitsmarkt wecken“, sagte Terzi IslamiQ-Interview.
Terzi ist der Meinung, dass der Schulunterricht kein geeigneter Ort für ideologische Diskussionen ist. Das gelte z. B. für das Thema Evolution im Biologieunterricht oder für die politischen Entwicklungen in der Türkei. In jedem Fall profitieren die Lehrer von solchen Spannungen, weil sie das Sagen im Unterricht haben. Ein Lehrer, der dem Schüler keine Gelegenheit gibt, sich auszudrücken, und dessen Meinung nicht respektiert, kann den Schüler im Klassenzimmer als ‚rückständig‘ darstellen.“ (KNA, iQ)