









Seit 2019 wird der islamische Religionsunterricht in Baden-Württemberg im Rahmen eines umstrittenen Stiftungsmodells organisiert. Eine Bilanz.
Der Islamunterricht in Baden-Württemberg wird seit dem Schuljahr 2019/20 auf der Grundlage einer Stiftung fortgeführt. Vor der Gründung wurde das Stiftungsmodell innermuslimisch stark diskutiert und kritisiert. Nur zwei von vier islamischen Religionsgemeinschaften haben sich für eine Beteiligung an der Stiftung ausgesprochen.
Der baden-württembergische Landesvorsitzende der LVIKZ, Yavuz Kazanç, und der Imam der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD), Bilal Hodzic, sehen das aktuelle Stiftungsmodell als „Zwischenlösung“. „Das Stiftungsmodell bietet die Möglichkeit der Weiterentwicklung des ehemaligen Modellprojektes. Es stellt eine strukturelle Grundlage für den weiteren Ausbau des Islamischen Religionsunterrichtes sunnitischer Prägung an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg dar“, erklären Kazanç und Hodciz gegenüber IslamiQ.
Die DITIB und die IGBW hatten dem Land vorgehalten, eine staatliche Einrichtung zu schaffen, um Religionsunterricht zu erteilen. Das sei verfassungswidrig. „Dieses Modell hebelt die Neutralitätspflicht des Staates aus und greift massiv in die Religionsfreiheit und in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften ein“, hieß es in einer Pressemitteilung.
Aus Sicht des Kultusministeriums habe sich das neue Modell bewährt. „Aufgrund des Fehlens eines legitimierten Ansprechpartners für den islamischen Religionsunterricht konnte dieser bis zur Errichtung der Stiftung Sunnitischer Schulrat nicht im gewünschten Ausmaß ausgebaut werden“, erklärte das Kultusministerium gegenüber IslamiQ. So stand sogar „die Beendigung des islamischen Religionsunterrichts im Raum“. Insbesondere bei Studierenden sowie Studieninteressenten bestand eine erhebliche Unsicherheit hinsichtlich des Ausbaus und des Fortbestehens des damaligen Modellprojekts.
Seit Errichtung des Stiftungsvorstands seien 15 Sitzungen abgehalten worden. Inhaltliche Schwerpunkte waren laut Ministerium die Erstellung einer Idschaza-Ordnung, eine Vereinbarung mit der Universität Tübingen, die Erteilung von ca. 100 Lehrbefugnissen für Lehrkräfte, Anwärter und Referendare sowie die Lehrbefugnisse für zwei Hochschullehrer. „Im Rahmen des zuvor bestehenden Modellprojektes war es nicht möglich, zentrale Fragen im Zusammenhang mit der Bekenntnisgebundenheit des Religionsunterrichts rechtssicher zu bearbeiten“, erklärt die Geschäftsstelle der Stiftung auf Anfrage von IslamiQ.
Das Stiftungsmodell wurde neben Religionsgemeinschaften auch von Staatsrechtlern kritisiert, da drei von fünf Mitgliedern im Stiftungsvorstand unter Zustimmungsvorbehalt des Landes stehen und das Land somit die Inhalte eines konfessionsgebundenen Religionsunterrichts mitgestalte. Dieser Vorwurf sei nach Ansicht des Kultusministeriums „in keinster Weise berechtigt“.
Das neue Modell in Baden-Württemberg sei eine belastbare Interimslösung, um muslimischen Kindern und Jugendlichen „einen hochwertigen bekenntnisgebundenen Religionsunterricht“ zu ermöglichen, der „insbesondere frei ist von Einflüssen ausländischer Stellen“. Die Entwicklung in den anderen Bundesländern wie z.B. in NRW und Hessen verfolge das Kultusministerium mit Aufmerksamkeit.
Auf die Frage wie die Resonanz der er Eltern bezüglich des neuen IRU-Modells seien, erklärte die Geschäftsstelle der Stiftung gegenüber IslamiQ, dass „keine Beschwerden im Zusammenhang mit der unterrichtlichen Praxis“ bekannt geworden sind. Außerdem habe man keine Kenntnis von Abmeldungen von Schülern. Doch während im Schuljahr 2018/2019 noch 6054 Schüler am Islamischen Religionsunterricht teilgenommen hätten, seien es im Schuljahr 2019/2020 laut Kultusministerium nur noch 5905.
In Baden-Württemberg wurde der islamische Religionsunterricht seit 2005 im Rahmen eines Modellprojekts erteilt, der zum Ende des Schuljahres 2018/2019 ausgelaufen war.