Waldkraiburg

Nach Anschlagsserie: Bundesanwaltschaft klagt Attentäter an

Im Frühjahr schrecken nächtliche Attacken auf Moscheen und Gaststätten das oberbayerische Waldkraiburg auf. Als der Täter gefasst wird, stellt sich heraus: Es hätte noch viel Schlimmeres passieren können.

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12
2020
Anschläge in Waldkraiburg
Anschläge in Waldkraiburg © Facebook, bearbeitet by iQ

Er soll aus Hass auf die Türkei und alle türkischstämmigen Menschen Bomben gebaut und blutige Anschläge geplant haben – jetzt hat die Bundesanwaltschaft gegen den mutmaßlichen Attentäter von Waldkraiburg Anklage erhoben. Ihm werden unter anderem versuchter Mord in 31 Fällen, schwere Brandstiftung und die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen, wie die Karlsruher Behörde am Montag mitteilte. Der Prozess soll am Oberlandesgericht München stattfinden.

Dort muss die Anklage noch zugelassen werden. Der Attentäter war im Mai nach einer mysteriösen Anschlagsserie im oberbayerischen Waldkraiburg gefasst worden. In dem Ort waren in mehreren Nächten Läden oder Restaurants türkischstämmiger Inhaber mit einer übelriechenden Flüssigkeit oder Brandsätzen attackiert worden.

Mehrere Anschläge auf Moscheen geplant

Bei seiner Festnahme am 8. Mai hatte der damals 25-Jährige zehn Rohrbomben und etliche Kilogramm Sprengstoff bei sich. Bei Durchsuchungen wurde noch mehr davon gefunden. Damit wollte der Mann nach eigenen Angaben erst mehrere Moscheen der DITIB in der Region, dann das türkische Generalkonsulat in München und schließlich die DITIB-Zentralmoschee in Köln angreifen. Am 19. Mai hatte die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen.

Seinen Hass auf den türkischen Staat soll der Mann wegen dessen Rolle im Syrienkonflikt und dessen Umgang mit bestimmten Predigern entwickelt haben. Die Anschläge hätten «eine Spirale von Gewalt und Gegengewalt» herbeiführen sollen, heißt es in der Mitteilung.

Daraus geht auch hervor, dass der Mann schon 2017 mehr als 45 Kilogramm Sprengstoff und 23 nahezu gebrauchsfertige Rohrbomben hergestellt und seither in einem seiner Fahrzeuge aufbewahrt hatte. Die benötigten Chemikalien – rund 140 Kilogramm – soll er über den Versandhandel bestellt und seinem Arbeitgeber gestohlen haben. Er besaß auch eine Waffe, mit der er die Imame erschießen wollte.

Vorwurf: Versuchter Mord

Der Vorwurf des versuchten Mordes ergibt sich daraus, dass sich ein attackierter Obst- und Gemüseladen in einem Mehrfamilienhaus befand. Glücklicherweise bemerkten mehrere Bewohner das Feuer mitten in der Nacht. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass es nur deshalb keine Todesopfer gab. Ein anderes Mal hatte der Mann den Angaben zufolge nach einem gescheiterten Angriff auf eine Moschee in Waldkraiburg eine Altpapiertonne vor dem Wohnhaus einer Familie angezündet. Hier war das Feuer von selbst wieder ausgegangen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in der vergangenen Woche einen Beschluss veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass ein Gutachter den Mann nach vorläufiger Einschätzung nur für eingeschränkt schuldfähig hält. Es liege eine Schizophrenie mit paranoiden Zügen vor, außerdem habe er viel Alkohol und Drogen konsumiert. Die BGH-Richter, die die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet hatten, waren zu dem Schluss gekommen, dass er trotz möglicher Strafmilderung mit einer «empfindlichen Gesamtfreiheitsstrafe» rechnen muss. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Vera Praunheim sagt:
Das Gerichtsverfahren in München wird sicherlich interessante Aspekte über den 26-jährigen mutmaßlichen Extremismus-Attentäter Muharrem D. und Hintergründe ans Tageslicht befördern. Die Ermittler halten den jungen Mann, der kurdischer Herkunft ist und die deutsche und die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, für einen Anhänger der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS). Er postete heroische Selbstporträts und seltsame Koransuren auf seinem Social-Media-Profil, wie z.B. eine düstere Sure, in der Irregeleiteten mit dem Höllenfeuer gedroht wird. Den Eltern war in den letzten Jahren auch eine zunehmende Radikalisierung ihres Sohnes in Richtung eines fundamentalistischen Islam aufgefallen, so stellten Ermittler fest. Lt. Anklageschrift vom Generalbundesanwalt heißt es: "Muharrem D. durchlief seit 2017 einen Prozess der religiösen Radikalisierung und wurde Anhänger eines fundamentalistisch-jihadistischen Weltbildes sowie der terroristischen Vereinigung 'Islamischer Staat'." Der Sohn türkischstämmiger Eltern handelte aufgrund seiner islamisch-religiösen Radikalisierung. Er konsumierte auch viel Alkohol und Drogen, wobei ihm ein Gutachter auch eine Schizophrenie mit paranoiden Zügen attestierte. Dieser Fall zeigt gerade die Gefährlichkeit von fundamentalistischen Weltbildern auf. Religion kann auch krank machen, geisteskrank. Und religiöser Extremismus - wie man sehen kann - erst recht.
23.12.20
23:09