Berlin

Forscherin: „Politischen Islam“ nicht kriminalisieren

Die Berliner Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer wendet sich gegen eine Kriminalisierung des „politischen Islam“. Solange die Gesetze eingehalten werden, müsse politische Betätigung auf islamischer Grundlage erlaubt sein.

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01
2021
Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Gudrun Krämer (Foto: Exzellenzcluster „Religion, Islam und Politik“)
Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Gudrun Krämer (Foto: Exzellenzcluster „Religion, Islam und Politik“)

Die Berliner Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer wendet sich gegen eine Kriminalisierung des „politischen Islam“. Solange die Gesetze eingehalten werden, müsse politische Betätigung auf islamischer Grundlage erlaubt sein, sagte die Forscherin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Sonntag/online). „Prinzipiell ist ja schon das Einbringen islamischer Argumente beispielsweise beim Umweltschutz oder bei der Waffenproliferation politisch.“

Bestrebungen, einen eigenen Straftatbestand „politischer Islam“ einzuführen wie in Österreich, bezeichnete Krämer als „abwegig“, solange nicht präzise definiert werde, was darunter zu verstehen ist. Seine Ziele mit Gewalt durchsetzen zu wollen, sei selbstverständlich strafbar.

Grundsätzlich hält Krämer den Begriff „politischer Islam“ aber für „hilfreich und berechtigt“. Das gelte „immer dann, wenn man deutlich machen möchte, dass nicht vom ‚Islam an sich‘ im Sinn einer religiös-kulturellen Orientierung die Rede ist, sondern der Islam als politische Kraft verstanden wird und in die Politik eingebracht werden soll“.

Zugleich fordert Krämer eine genaue Unterscheidung der Phänomene. So kritisiert sie eine Gleichsetzung der Begriffe „islamischer Fundamentalismus“, „Islamismus“ und „politischer Islam“. Den Unterschied bringt die Forscherin auf die Formel: „Fundamentalismus – wie lese ich den Koran? Islamismus – wie gestalte ich mein Leben? Politischer Islam – wie verhalte ich mich politisch?“ Dass das zu kompliziert sein könnte, lässt Krämer nicht gelten: „Wenn wir die deutsche Politik beschreiben, bemühen wir uns ja auch um Präzision und Differenzierung. Wir bezeichnen beispielsweise nicht jeden Grünen-Politiker als radikal.“ (KNA/iQ)

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Die Definition der Forscherin ist problematisch, weil eine islamische Lebensgestaltung im seinem gesamten Lebensbereich ob privat, sozial oder öffentlich mit "Islamismus" gleichgesetzt und damit dämonisiert wird, obwohl es etwas gutes ist, wenn es mit Weisheit und gutem Charakter geschieht. Weisheit und Charaktererziehung sind unverzichtbare Elemente in einer islamischen Lebensgestaltung. Die Gleichsetzung einer islamischen Lebensgestaltung mit "Islamismus" ist daher falsch und damit abzulehnen, weil es fromme Muslime problematisiert und stigmatisiert. Der Kampf gegen antimuslimischen Rassismus muss auch den Kampf gegen solche Stigmata und Problematisierungen umfassen. Und das geht nur durch nachhaltige Aufklärungsarbeit. Niemand hat das Recht, fromme Muslime aufgrund ihrer Lebensweise zu verurteilen oder gar respektlos zu behandeln.
18.01.21
17:30
grege sagt:
Afd hält sich auch an die Gesetze. Dürfte sie demnach nicht als rechtspopulistische Partei "verunglimpft werden". Frau Krämer sollte dahingend ihre Äußerung nochmals überdenken
18.01.21
17:33
B.M.A sagt:
Auf jeden Fall werden die Begriffe Islamismus, Fundamentalismus etc in der reinen Hochschulwissenschaft anders definiert als in der „BILD* und am Stammtisch. Da meine Hochschulbildung dazu veraltet ist, muss man erwähnen, dass sämtliche Begriffe in den letzten 10 Jahren sich in Zusammenhang mit anderen Religionen ggf Verschwörungstheoretikern derzeit verwendet werden. Einen reinen politischen Islam gibt es nicht. Jedenfalls nicht im Sinn Islam macht Politik. Das sind dann nationale politische Staatenzusammenhänge und auch eben keine Demokratien. Ich finde ehrlich gesagt als Deutsche, zum Islam ohne Mann und Zwang konvertiert diese ganzen Diskussionen sind reine Zeitverschwendung. Oberstes Recht ist die Verfassung und ein hohes Gut die Religionsfreiheit, die seit Jahren bezüglich des Islams beschmutzt wird. Symbolisch und sehr hetzerisch in der Aufmachung. Um jetzt auch nicht tiefer zu gehen, denn wir befinden uns in der BRD sollte man eher dafür sorgen, dass mehr Einheit, Toleranz und Akzeptanz dafür herrscht. Gute Außenpolitik ausführen und die Spaltung vermeiden. Ich bin für Frauenrechte ohne Frauenquote und keine Frau geschweige aus der Politik, geschweige denn ein Mann, hat sich herabzulassen und zu erklären, was aus jeweiliger Sicht frauenfeindlich oder angeblich nicht mit dem deutschen Bild einer emanzipierten Frau zu vereinbaren ist. Das ist meine subjektive Sicht, Ü 44 Jahre und sehr glücklich mit meiner Religion.
18.01.21
22:54
Vera Praunheim sagt:
Vielleicht können die Äußerungen des emeritierten Erzbischofs von Ferrara und früheren Bischofs von San Marino Luigi Negri der Berliner Islamforscherin Krämer - bei aller Vielfalt des Islam - etwas auf die Sprünge helfen: "Der Islam ist mehr als ein Glaube, er ist ein Gesetz, ein Status, der unter dem Begriff Scharia zusammengefasst wird. Für den Muslim ist nur der soziale und politische Kontext gültig, in dem er lebt. Ein weiterer besorgniserregender Aspekt ist die Tendenz des Islam, die Werte der westlichen Zivilisation zu zersetzen, vor allem die der Trennung zwischen Politik und Religion, die Papst Ratzinger immer wieder betont hat und die mir selber als einer der besten Aspekte unserer Verfassung erscheint." Und weiter: "Integration muß vernünftig sein. Man kann nicht die Türen öffnen, als ob es eine Party wäre...Ich bin katholisch und deshalb bin ich dafür, die Vielfalt willkommen zu heißen, aber das kann nicht ohne Beschränkungen sein, weil es sonst zur Zerschlagung und Beseitigung unserer Gesellschaft führen würde." Möchte die Mehrheit der Bevölkerung islamische Fundamentalisten auf der politischen Bühne agierend haben? Kriminalisierung hin oder her - angesichts des Risikofaktors Islam, was der Islam leider nun mal darstellt - heute und morgen immer noch.
19.01.21
21:44
Johannes Disch sagt:
Der Begriff "Politischer Islam" mag ungenau sein oder zu allgemein gefasst. Aber es geht nicht um Begriffe, sondern um Inhalte. Wenn man vor einem politischen Islam warnt, dann ist famit in aller Regel ein totalitärer Islam gemeint, der Poltik und Religion nicht trennt, sondern statt einer Demokratie einen Gottestaat auf Grundlage der Scharia anstrebt. Man kann dieses Islamverständnis auch als die dritte Spielart des Totalitarismus definiren (neben dem Kommunismnus und dem Faschismus). Noch ein Wort zur Autorin des Artikels: Gudrun Krämer ist eine der profiliertesten Islamwissensachaftlerinnen Deutschlands und hat einige lesenswerte Bücher zu Thema geschrieben, beispielsweise -- Geschichte des Islam -- Demokratie im Islam. Der Kampf um Freiheit und Toleranz in der islamischen Welt. Gerade das letztgenannte Buch ist sehr zu empfehlen, da es zeigt, dass sich Demokratie und Islam keinesegs ausschließen.
20.01.21
9:28
Johannes Disch sagt:
@Vera von Praunheim (19.01.2021, 21:44 Die Definition des früheren Bischofs von San Marino trifft auf den Islamismus zu, nicht auf den Islam.
20.01.21
12:24
Johannes Disch sagt:
@Vera...(19.01.2021, 21:44) ."...Der Islam ist mehr als ein Glaube, er ist ein Gesetz, dein Status, der unter dem Begriff Scharia zusammengefasst wird." (Bischof Luigi Negri) Hier irrt der Bischof. Die Scharia-- was selbst ein vielfältiger Begriff ist-- ist postkoranischer Natur und sie fällt nicht unter Rrligionsfreiheit.
21.01.21
8:40
Tarik sagt:
Der Begriff "Sharia" kann man am besten mit "Weg des Glaubens" oder auch "Lehre" übersetzen kann. Der Begriff so wie er im Islam traditionell verstanden wird, ist nicht "postkoranischer Natur", ganz im Gegenteil, er hat seinen Ursprung im Kur'an selbst. In Sure 45, Vers 18 heißt es dazu: "Und schließlich (o, Muhammad), haben Wir dich auf einen Weg gebracht ("ala shariatin"), durch den der Zweck (des Glaubens) erfüllt werden mag: so folge du diesem (Weg) und folge nicht den Vorlieben und ABneigungen jener, welche (die Wahrheit) nicht wissen" - An dieser Stelle und zum richtigen Verständnis von kur'anischen Begriffen und Wendungen sei die auch heute noch als maßgebliche und herausragende Übersetzung von Muhammad Asad empfohlen, der nicht nur fließend arabisch sprach sondern auch jene Beduinendialekte des Hidschas und des Nedschd beherrschte, was unabdingbar ist für ein richtiges Verständnis eines Übersetzers. Auch die Verbform von "Scharia" - shara - ist im Kur'an ebenfalls zu finden, von der Sunna mal ganz zu schweigen. Im Laufe der Zeit interpretierte man die Ursprungsbedeutung von "Sharia" als "den Weg" im Sinne eines Systems oder Gesetzes. 'Ähnlich verhält es sich bsp. beim Wort "Fiqh". Ursprünglich, in den ersten Jahrhunderten meinte es "Verständnis" und auch "Intelligenz". Später wurde daraus "Jurisprudenz". Je systematisierter die Religion wurde, desto spezifischer wurden auch die ursprünglich allgemeiner formulierten Begriffe. Muslimische Reformer der Salafiyya - die mit den heutigen Salafisten nichts mehr gemein haben -, wie bsp. Muhammad Abduh, vertraten den Ansatz, dass man zurück zu den Quellen müsste, nämlich zur Rückkehr der epistemologischen Wurzeln des Islams. Einerseits ein richtiger Ansatz, jedoch wurde der spirituelle Kern des Islams - die Technik des Tasawuff von ihnen vernachlässigt. Mit anderen Worten: DEr "Sufismus" war ihnen zu unpolitisch.
31.01.21
15:22
Johannes Disch sagt:
@Scharia Der Begriff kommt zwar im Koran vor und bedeutet übersetzt in etwa "Weg zur Quelle", aber die Scharia als Rechtssystem ist postkoranischer Natur. Wobei man Scharia-Recht nicht mit Recht im westlichen Sinne vergleichen kann. Es gibt zig Rechtsschulen,.die ein-und senselben Sachverhalt völlig unterschiedlich auslegen. Die Scharia ist kein kodifiziertes Rechtssystem. Man kann nicht in die Buchhandlung gehen und die Scharia erwerben, so wie man es mit dem BGB kann. Entscheidend ist folgendes: Scharia ist Gottesrecht. Und ein solches ist nicht mit positivem Recht vereinbar. Deshalb ist allen eine Absage zu erteilen, die behaupten, der Islam wäre ohne Scharia nicht denkbar. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit gilt nicht für die Scharia.
02.02.21
10:20
Ethiker sagt:
Wir haben verstanden, Herr Disch sie sind ein Unwissender und ein Islamfeind. Zudem wissen nicht was Recht ist und wie Rechtsprechung funktioniert. Behalten sie ihr gefährliches Unwissen bitte für ihre Kreise.
07.02.21
12:56