Jahrelang verübten rechtsextreme Täter Brandanschläge in Neukölln auf Initiativen und Aktivisten. Das Verhältnis zwischen Polizei und den Opfern ist schon lange zerstört. Ein Untersuchungsbericht sieht die Schuld daran auch bei der Polizei.
Nach einer erneuten Untersuchung der Ermittlungen zur rechtsextremen Anschlagsserie in Berlin-Neukölln sehen externe Sonderbeauftragte keine tiefgreifenden Versäumnisse der Polizei. Allerdings habe es einen großen Vertrauensverlust von Opfern und Betroffenen gegenüber der Polizei gegeben, stellten die beiden Sonderermittler in ihrem Zwischenbericht, der am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses vorgestellt wurde, fest.
Polizeipräsidentin Barbara Slowik kündigte an, beim Landeskriminalamt (LKA) werde am 1. April eine neue Ermittlungsgruppe Verbindungen von Polizisten zu rechtsextremistischen Kreisen und Straftaten untersuchen. Linke und Grüne kritisierten, dass die Neuköllner Taten und manche Fehler immer noch nicht aufgeklärt seien. Weiterhin sei ein Untersuchungsausschuss des Landesparlaments nötig.
Zwei Hauptverdächtige aus der rechtsextremen Szene, die schon lange im Fokus stehen, wurden von der Polizei Ende 2020 gefasst. Gegen sie will die Staatsanwaltschaft Anklage erheben.
Der Bericht stellt einen „ausgeräumten Verdacht der Weitergabe von Dienstgeheimnissen“ fest. Der Sonderermittler Herbert Diemer, ein früherer Bundesanwalt, sagte am Montag, die Polizei habe ihre eigenen Ermittlungen bereits früher sehr schlüssig und gründlich aufgearbeitet. Auch die erneute Untersuchung habe nun keine bislang unbekannten Beschönigungen oder Versäumnisse festgestellt. In der Hinsicht müsse man Vertrauen haben. Diemer sagte, seine Kommission habe ergebnisoffen gearbeitet und Zehntausende Aktenseiten von Staatsanwaltschaft, Polizei und Verfassungsschutz durchgearbeitet.
Die zweite Sonderermittlerin, die ehemalige Polizeipräsidentin in Eberswalde, Uta Leichsenring, sagte: „Aus Sicht der Betroffenen mangelt es massiv an Vertrauen, Verständnis und Kommunikation.“ Die Opfer hätten den Eindruck, es werde bei weitem nicht gründlich und erfolgreich genug gegen bekannte Neonazis ermittelt. Die Opfer würden von der Polizei nicht ernst genommen. Leichsenring betonte, die Polizei müsse in der Kommunikation deutlich besser werden. Es fehlten auch direkte Ansprechpartner für Fragen und Sorgen.
Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte die beiden Sonderermittler beauftragt. Anfang Oktober begannen sie mit ihrer Arbeit in Neukölln, unterstützt von mehreren Beamten aus Senatsverwaltungen. Sie sollten die mindestens 72 Taten von Rechtsextremisten, vor allem Brandstiftungen und Drohungen zwischen 2016 und 2018, erneut untersuchen, die Ermittlungen prüfen und mögliche Fehler der Polizei herausarbeiten. Geisel betonte am Montag, es gehe hier nur um einen Zwischenbericht, der Fragenkatalog sei umfangreicher gewesen, daher solle der Abschlussbericht abgewartet werden.
Der Linke-Abgeordnete Niklas Schrader sagte, es gehe nicht nur um Kommunikation. „Die Fehler, die passiert sind, sind schließlich real.“ Ein Polizist habe Dienstgeheimnisse in einem AfD-Chat verraten, ein Brandanschlag sei nicht verhindert worden. Benedikt Lux (Grüne) sagte, die Polizei müsse die Perspektive der Opfer stärker wahrnehmen und gleichzeitig offener sein für Kritik.
CDU, AfD und FDP betonten hingegen, das Vertrauen dürfe nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden. Das habe der Zwischenbericht trotz mancher Fehler gezeigt. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Burkard Dregger sprach von einer akribischen Untersuchung, die man nicht wieder in Frage stellen dürfen. Es gebe keine Veranlassung, daran zu zweifeln. (dpa/iQ)