Ein ehemaliger Vorsitzender der DITIB Göttingen wird des Antisemitismus bezichtigt. Der DITIB-Bundesverband will den Vorfall aufarbeiten, kritisiert aber auch den Umgang mit dem Fall.
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) will die Antisemitismus-Vorwürfe gegen einen ehemaligen Funktionär in Göttingen aufarbeiten. Das kündigte der in Köln ansässige DITIB-Bundesverband an.
Zuvor wurde über den Rücktritt des Göttinger DITIB-Vorsitzenden Mustafa Keskin berichtet. Keskin soll in den Jahren 2013 bis 2021 auf Facebook und WhatsApp Hassbotschaften gegen Juden und Armenier sowie Verschwörungsmythen veröffentlicht haben.
Keskin sagte am Mittwoch der KNA, er habe sein Amt bei der DITIB bereits am 8. Februar abgegeben, um weiteren Schaden von seiner Gemeinde abzuwenden. Zugleich wies er die Vorwürfe zurück und kündigte an, juristisch dagegen vorzugehen. Er habe keine antisemitische Einstellung, betonte Keskin.
Die umstrittenen Postings stammten von ihm, richteten sich aber vor allem gegen die israelische Politik, die er auch weiterhin kritisiere. „Aber ich würde niemals sagen, dass der Holocaust eine Lüge war.“ Mit dem Bild von Papst Franziskus habe er die Aussage des Papstes zu den Armeniern kritisieren wollen. „Ob dieser Post dazu der richtige Weg war, hätte man vielleicht besser überlegen sollen“, so Keskin.
„Keine der Postings und Meinungen des besagten Vorsitzenden kann auch nur ansatzweise eine Haltung wiedergeben, die bei einem DITIB-Funktionär Duldung finden könnte“, erklärte Zekeriya Altuğ vom DITIB-Bundesverband. Er sprach von „gravierenden Verfehlungen“. Man werde den Vorgang genau untersuchen, „da es ja in diesem Fall keine einmalige Aktion, sondern mehrere Aktivitäten über einen längeren Zeitraum gegeben hat“.
Altuğ beklagte jedoch, dass die Affäre zeitgleich mit der Bewerbung der DITIB-Jugend Niedersachsen im Landesjugendring „lanciert und breit gestreut“ worden sei. Dies zeige auch, „dass hinter dem Bekanntwerden dieser Postings nicht etwa ein konstruktiv-kritischer Ansatz, sondern eine diffamierende Absicht mit dem Ziel der Ablehnung muslimischer Jugendlicher steckt“.
Altuğ bezog sich damit auf Recherchen des sozialistischen Jugendverbands „Die Falken“, der die Aussagen Keskins öffentlich gemacht hatte. „Die Falken“ zeigten sich „erstaunt darüber, dass die antisemitischen Statements Keskins in der Göttinger Zivilgesellschaft niemanden aufgefallen sind bzw. auffallen wollten“.
Keskin hatte sich in den vergangenen Jahren häufig für den interreligiösen Dialog eingesetzt. Er war unter anderem beim Runden Tisch der Abrahamsreligionen in Göttingen engagiert. (KNA, iQ)