Wieder ein neues Kopftuchverbot. Diesmal in NRW. Für viele Musliminnen werden die Arbeitsverhältnisse in Deutschland immer ungewisser. IslamiQ sprach mit Betroffenen.
Vor Kurzem hat der nordrhein-westfälische Landtag ein Gesetz beschlossen, das Richtern, Staatsanwälten sowie anderen Justizbeschäftigten religiöse Kleidung verbietet. Dem Entwurf der Landesregierung stimmten die Regierungsfraktionen von CDU und FDP zu. Auch die AfD votierte dafür, während sich die SPD enthielt und die Grünen dagegen stimmten.
Doch was bedeutet das neue Kopftuchverbot jetzt für angehende muslimische Juristinnen? Wie planen muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen und ihnen damit gedroht wird, ihren Beruf nicht ausüben zu können, ihre Zukunft?
Zeynep B. ist Jura-Studentin und steht kurz vor ihrem Examen. Für sie stellt die aktuelle Gesetzeslage und das Kopftuchverbot eine große Herausforderung dar. Denn vieles, was sie für ihre Zukunft geplant hat, droht zu scheitern. „Ich habe mich für das Studium der Rechtswissenschaft entschieden, weil mich damals die Arbeit der Staatsanwaltschaft sehr interessiert hat. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, als Staatsanwältin tätig zu sein“.
„Als ich mich dann im 3. Semester für das Tragen des Kopftuchs entschieden habe, wusste ich auch, dass das nicht mehr möglich sein wird. Ich erinnere mich auch noch an meine optimistischeren Kommilitoninnen, die davon überzeugt waren, dass es irgendwann nicht länger möglich sein würde, den Pluralismus in der Gesellschaft zu ignorieren. Ich wünschte, sie hätten recht behalten“, erzählt Zeynep gegenüber IslamiQ.
Sowohl im Grundstudium als auch im Hauptstudium habe sie, im Rahmen des öffentlichen Rechts, Fälle über das Kopftuch bearbeitet. Ihre Professoren waren laut Zeynep immer sehr vorsichtig und objektiv. Aber auch hitzige Diskussionen mit Kommilitonen seien nicht selten gewesen. Trotz identischer Ausbildung werde sie zu bestimmten Berufsfeldern per se nicht zugelassen. Das schränke ihren Bewegungsrahmen für die Zukunft erheblich ein.
„Ich erhoffe mir nicht mehr viel, sondern gebe mein Bestes, um problematischen Gedankenstrukturen entgegenzuwirken. Der Staat kann den Wandel der Gesellschaft nicht ewig ignorieren. „Das Studium ist hart genug, macht es uns nicht noch schwerer!“, appelliert Zeynep. Sie ist enttäuscht. Enttäuscht darüber, dass das Kopftuch immer wieder missbraucht wird und nichtbetroffene Personen so leichtsinnig über ihre Köpfe hinweg problematische und diskriminierende Gesetze festlegen können. „Ich frage mich, wem gehört das Kopftuch eigentlich?“
Auch Laila M. fürchtet um ihre berufliche Zukunft. Die 20-jährige Jura-Studentin, die ebenfalls ein Kopftuch trägt und im zweiten Semester ihres Studiums ist, kann die Diskriminierung um ihr Kopftuch nicht verstehen. „In allen anderen Ländern dürfen Frauen mit Kopftuch Richterinnen, Lehrerinnen und Polizistinnen werden. Warum klappt es in unserem Land nicht?“, beklagt Laila.
Lailas Traum war es schon immer, Richterin zu werden. Von klein auf habe sie sich auf ihr Studium vorbereitet, viel gelernt um an einer guten Universität Jura studieren zu können. Für sie kam kein anderer Beruf infrage, auch wenn sie von ihrer Familie oft zu hören bekommen habe, dass es als Juristin mit Kopftuch in Deutschland zu schwer sei. „Jetzt verstehe ich, was meine Familie damit gemeint hat“, sagt Laila. Sie überlege sich nun ernsthaft, ihren Studiengang zu wechseln, damit ihre Zukunft weniger ungewiss ist. „Ich habe schon jetzt als muslimisch gelesene Frau jeden Tag mit Rassismus und Diskriminierung zu kämpfen. Ich habe leider nicht den Luxus, mir eine unsichere Zukunft in einem Land aufzubauen, in dem ich wegen meines Äußeren und wegen meiner Religion schon nicht sicher bin.“
Malika Y. hat vor drei Monaten erfolgreich ihr zweites juristisches Staatsexamen bestanden. Grund zur Freude, würde man meinen – doch für sie war die Freude nur ganz kurz. Zukunftsängste plagen die 28-jährige Juristin. Sie hat ein hartes Studium hinter sich, viele schlaflose Nächte, schwierige Prüfungen und die Examina bestanden. Das Jura-Studium gehört zu den anspruchsvollsten Studiengängen überhaupt. Ihre Familie und Freunde sind stolz auf Malika.
„Aber auch sie haben Angst um meine Zukunft“, erzählt sie gegenüber IslamiQ. Aktuell sei sie in der Bewerbungsphase und habe schon mehr als 60 Bewerbungen abgeschickt. Mit dem neuen Gesetz verringern sich ihre Chancen. Das bereitet ihr große Sorgen. „Ich bin mir sicher, dass ich aufgrund meines Glaubens und meines Kopftuchs viele Absagen bekommen werde, obwohl ich qualifizierter als viele andere Juristinnen bin“, sagt Malika. Sie hat beide Examina mit der besten Note bestanden, ihr Referendariat in einer renommierten Kanzlei absolviert und konnte Auslandserfahrung sammeln. „Das alles zählt aber nicht, solange ich das Kopftuch trage.“
Für Malika ist das Kopftuchverbot frustrierend. „Das Gesetz ist mehr als diskriminierend und hat mit Neutralität nichts zu tun! Für mich als Juristin ist es einfach unbegreiflich, wie die Gesetzeslage gegen die Menschenwürde verstößt und man trotzdem nicht viel dagegen unternehmen kann“, beklagt Malika.
Sie würde im schlimmsten Fall sogar auswanden. „Ich habe nicht so lange studiert, um im Endeffekt am Ende ohne eine sichere Zukunft dazustehen. Es gibt Ländern, die meine Bemühungen, Fähigkeiten und Expertisen mehr als genug schätzen werden – und das unabhängig von meinem Kopftuch.“ Doch die Heimat zu verlassen, so Milka, sei ein schwieriger Schritt. „Aber was bleibt mir anderes übrig, wenn ich hier nicht sicher bin?“