Viel Corona, wenig Islam. Am Sonntag wird in Baden-Württemberg gewählt. Muslimische Vertreter rufen zur Wahl auf.
Am 14. März finden in Baden-Württemberg Landtagswahlen statt. Rund 7,7 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Bislang sind fünf Parteien im Landtag vertreten. Auf die beiden Regierungsfraktionen entfallen 90 Mandate (Grüne 47, CDU 43). Die SPD hat 19 Sitze, die FDP 12 und die AfD nach mehreren Austritten 15. Weitere 7 Abgeordnete sind fraktionslos. Einen Monat vor der Landtagswahl im Südwesten liegen die Grünen in mehreren Umfragen vor der CDU – mal mehr, mal weniger deutlich.
Auch wenn Themen wie die Corona-Krise, ihre Bewältigung und die wirtschaftlichen Folgen den Wahlkampf dominieren werden, beschäftigten Themen rund um den Islam und die Muslime auch die aktuelle Legislaturperiode. Derzeit leben in Baden-Württemberg knapp 800.000 Muslime.
Der Islamunterricht wird seit dem Schuljahr 2019/20 auf der Grundlage eines umstrittenen Stiftungsmodells fortgeführt. Vor der Gründung wurde das Stiftungsmodell innermuslimisch stark diskutiert und kritisiert. Nur zwei von vier islamischen Religionsgemeinschaften haben sich für eine Beteiligung an der Stiftung ausgesprochen.
Die DITIB und die IGBW hatten dem Land vorgehalten, eine staatliche Einrichtung zu schaffen, um Religionsunterricht zu erteilen. Das sei verfassungswidrig. „Dieses Modell hebelt die Neutralitätspflicht des Staates aus und greift massiv in die Religionsfreiheit und in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften ein“, hieß es. Das Stiftungsmodell wurde neben Religionsgemeinschaften auch von Staatsrechtlern kritisiert, da drei von fünf Mitgliedern im Stiftungsvorstand unter Zustimmungsvorbehalt des Landes stehen und das Land somit die Inhalte eines konfessionsgebundenen Religionsunterrichts mitgestalte.
Das neue Modell in Baden-Württemberg sei eine belastbare Interimslösung, um muslimischen Kindern und Jugendlichen „einen hochwertigen bekenntnisgebundenen Religionsunterricht“ zu ermöglichen, der „insbesondere frei ist von Einflüssen ausländischer Stellen“, erklärte das Kultusministerium auf Anfrage.
Muhittin Soylu, Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW), betont, dass sich an dem Stiftungsmodell auch in der nächsten Legislaturperiode nichts ändern wird. „Das Stiftungsmodell hat eine Dauer. Umfragen zufolge wird sich die aktuelle Regierungskonstellation nicht ändern. Daher können wir sagen, dass die Politik im Bereich des islamischen Religionsunterrichts fortgesetzt wird“, erklärt Soylu. Im Schuljahr 2019/2020 besuchten 5.905 Schüler an 86 staatlichen Schulen den Islamunterricht.
Dass sich die aktuelle Islampolitik des Landes nach den Wahlen ändert, bezweifelt Soylu. Die Kommunikation zwischen dem Ministerpräsidenten und den Religionsgemeinschaften waren in Zeiten Corona-Pandemie „positiv und eng“. Solange sich dies nicht ändere, werde sich auch in der Islampolitik nichts Wesentliches ändern. Umfragen sehen die Grünen auch in diesen Landtagswahlen vorne.
Soylu erklärt, dass die IGBW Muslime ermutigt, an den Wahlen teilzunehmen und ihr Wahlrecht in Anspruch zu nehmen. „Muslime haben in beiden Wahlen ein großes Potenzial, und dieses Potenzial sollten die Parteien spüren.“
Einige Parteien haben auch muslimische Kandidaten auf ihre Listen gesetzt. „Es ist für uns wünschenswert, dass Kandidaten unterschiedlicher Herkunft und Religion es in den Landtag schaffen, um eine größere Vielfalt abzubilden“, betont Soylu. Er fordert, eine aktivere Teilnahme von Muslimen in politischen Parteien. Trotz steigender Tendenz gibt es eine Mehrheit, die sich weiterhin nur für die Politik in ihren Herkunftsländern interessiert. „Hier sollten weitere Anstrengungen unternommen werden.“
Die bundesweite Meldestelle für Moscheeangriffe #brandeilig hat zwischen April 2019 und Februar 2021 mehr als 100 Moscheeangriffe in Baden-Württemberg erfasst. Die Dunkelziffer liegt höher. Zum Neujahreswechsel wurde die Fatih Moschee der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) in Sontheim erneut Opfer eines Angriffs. Unbekannte schlugen mit einer Sitzbank ein Fenster ein. Die Polizei stehe im engen Kontakt zu den Moscheen und treffe erforderliche Schutzmaßnahmen „lageorientiert“. „Hierzu zählen u. a. der enge Kontakt mit den Objektverantwortlichen, die Festlegung von Meldewegen sowie auf Wunsch die Durchführung einer sicherheitstechnischen Beratung. Weiterhin werden auch offene und verdeckte Schutz- und Überwachungsmaßnahmen durchgeführt“, erklärt das Landesinnenministerium gegen IslamiQ.
In den Wahlprogrammen findet der Schutz der Moscheen nach Moscheeangriffen sowie die Themen „Islamfeindlichkeit“ und „antimuslimischer Rassismus“ wenig bis kaum Beachtung.