Nach dem Skandal um rechtsextreme Polizisten-Chats hat die Polizei ein Lagebild über die Umtriebe in den eigenen Reihen vorgestellt – und erste Konsequenzen gezogen.
Im Zuge des Skandals um rechtsextreme Polizei-Chats sind in Nordrhein-Westfalen bereits sechs Kommissaranwärter entlassen worden. Es würden noch eine Reihe weiterer Verfahren gegen Polizeibeamte geführt mit dem Ziel, sie aus dem Dienst zu entfernen, sagte der Sonderbeauftragte im Kampf gegen Rechtsextremismus bei der Polizei, Uwe Reichel-Offermann, am Donnerstag in Düsseldorf. Er stellte im Landtag das Lagebild in der Sache vor, das den Zeitraum von 2017 bis 2020 umfasst.
Demnach sind Männer sowie der Wach- und Wechseldienst von den Verdachtsfällen überproportional betroffen. 110 von 186 ausgewerteten Fällen konzentrieren sich auf die Polizeipräsidien in Essen (50), Köln (21), Aachen (25) und Dortmund (14). Die meisten Fälle seien als Rassismus (125), NS-Verherrlichung (95), Antisemitismus (66) und Gewaltverherrlichung (62) zu werten. Bei den arbeitsrechtlichen Verfahren gegen Nicht-Beamte seien drei Abmahnungen ausgesprochen worden und zwei Kündigungen.
Es seien vier Mitarbeiter von NRW-Sicherheitsbehörden mit Kontakten zu rechtsextremen Organisationen und einer als Mitglied einer rechtsextremen Gruppe entdeckt worden. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, die Zahl habe sich inzwischen auf 251 Beschäftigte von NRW-Sicherheitsbehörden erhöht, die unter Verdacht geraten seien. Reul räumte ein, dass die Überprüfung von 12 575 Rufnummern in diesem Zusammenhang auch in seinem Haus rechtlich umstritten gewesen sei. Man sei aber letztlich zu der Einschätzung gekommen, dass dies zulässig gewesen sei. Dennoch habe man alle beteiligten Behörden noch einmal darauf hingewiesen, die Daten nach erfolgter Überprüfung zu löschen.
Es sei nur gefragt worden, ob die Rufnummern, die als Kontakte in beschlagnahmten Polizisten-Handys festgestellt wurden, im Zusammenhang mit rechtsextrem motivierter Kriminalität aufgefallen seien. Das Innenministerium widersprach der SPD-Opposition, es habe sich um eine „typische Rasterfahndung“ gehandelt. Die Überprüfung habe 26 Treffer ergeben. Neun Verbindungen seien Personen der rechtsradikalen Essener Gruppe „Steeler Jungs“ zuzurechnen, drei der Hooligan-Szene und eine der rechten Szene in Dortmund.
Die SPD-Fraktion kündigte an, eine Sondersitzung des Innenausschusses zu dem Thema zu beantragen. „Leider haben wir den bereits fertiggestellten schriftlichen Bericht zu den Vorwürfen der besonders betroffenen Essener Polizei noch nicht erhalten. Eine abschließende Bewertung dieses Sachverhalts war deshalb heute nicht möglich“, begründeten die Sozialdemokraten ihren Schritt. Bei NRW-Polizisten waren in den vergangenen Monaten zahlreiche Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung entdeckt worden. Auf mehreren beschlagnahmten Datenspeichern war das verbotene Horst-Wessel-Lied gefunden worden. Dabei handelt es sich um das Kampflied der SA und die spätere Parteihymne der NSDAP.
Ein Beamter soll Fotos von Weihnachtsbaum-Kugeln mit SS-Runen und „Sieg Heil“-Aufschrift gepostet haben. Bei einem anderen Beamten waren Fotos mit einem Hakenkreuz entdeckt worden, das aus Dienstmunition gelegt worden war. Ein Polizist habe sich in Uniform auf zwei Streifenwagen stehend dabei fotografieren lassen, wie er den Hitler-Gruß zeigte. Es waren auch Musikdateien von indizierten rechtsradikalen Bands entdeckt worden. Zum Christchurch-Anschlag, bei dem ein Rechtsterrorist in Neuseeland 51 Menschen tötete, hieß es: „Zu viele Fehlschüsse.“ (dpa, iQ)