Die Corona-Krise hat das muslimische Leben in Deutschland verändert. Auch der Ramadan wird spürbar anders sein. Islamische Religionsgemeinschaften setzen auf Digitalisierung.
Für rund zwei Milliarden Muslime weltweit beginnt am Dienstag der Ramadan. Traditionell wird er mit Gemeinschaftsgebeten in der Moschee und dem Iftar, zusammen mit Verwandten und Freunden verbracht. In Zeiten der Corona-Pandemie ist das jedoch nur eingeschränkt möglich. Damit findet der Ramadan zum zweiten Mal in Folge in vielen Ländern unter Corona-Bedingungen statt. So auch in Deutschland.
Aufgrund der andauernden Maßnahmen werden Muslime in Deutschland diesen Ramadan hauptsächlich in den eigenen vier Wänden verbringen. Im Gegensatz zum letzten Jahr haben zwar Moscheen geöffnet, jedoch mit Einschränkungen. Weiterhin setzen islamische Religionsgemeinschaften verstärkt auf Online-Formate und alternative Angebote. IslamiQ hat bei den Gemeinschaften nachgefragt.
Bei der Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) freue man sich – allen pandemiebedingten Widrigkeiten zum Trotz – auf den Ramadan. „So sehr wir uns auf diesen Monat und seinen Segen freuen, so betrübt sind wir auch angesichts der aktuellen Umstände“, erklärt Kemal Ergün, Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). „Wie im Vorjahr werden wir auch den bevorstehenden Ramadan unter Pandemiebedingungen begehen“.
Unter Umsetzung aktueller Sicherheits- und Hygienekonzepte, wie unter anderem das konsequente Einhalten von Sicherheitsabständen, das verpflichtende Tragen einer FFP2-Maske und der Verwendung eigener Gebetsteppiche, sollen in Moscheen die rituellen Gebete verrichtet werden. Die nächtlichen Tarâwîh-Gebete werden verkürzt mit acht Einheiten, statt den üblichen 20, verrichtet. Des Weiteren sei der Îtikâf, also das Verweilen in der Moschee gegen Ende des Monats Ramadan nicht möglich. Ebenso gebe es auch keine gemeinsamen Iftar-Essen während des gesamten Ramadan.
„Wir werden zwar auf unsere gewohnten Zusammenkünfte verzichten, im Herzen und in Gedanken sind wir aber stets zusammen“, sagt Ergün. „Dennoch ist der Ramadan für uns ein Monat der Hoffnung, der inneren Einkehr. Der Ramadan bietet den Menschen eine besondere Gelegenheit, ihr Handeln und Tun, ihre Gedanken und Vorhaben auf den Prüfstand zu stellen, sie zu kritisch hinterfragen und mithilfe Allahs auf den richtigen Pfad zu bringen. Die Pandemie wird uns nicht daran hindern, diese wertvolle Zeit des Innehaltens und der Besinnung so gut es geht zu nutzen“, so Ergün.
Wie auch im Vorjahr hat die IGMG ihre Online-Formate weiter ausgebaut und bietet alternative Dienstleistungen besonders zum Ramadan an. Traditionelle Gesprächs- und Koranrezitationszirkel seien weiterhin online verfügbar. Diverse Video-Formate werden täglich durch den gesamten Ramadan über auf dem IGMG-eigenen Youtube-Sender „Camia TV“ zugänglich sein.
„Allen Einschränkungen zum Trotz, die die Pandemie mit sich bringt, wünsche ich allen Musliminnen und Muslimen einen gesegneten Ramadan. Wir werden zwar auf die gewohnte Geselligkeit und die gemeinsamen Fastenbrechen verzichten, in unseren Herzen und Gedanken sind wir aber vereint und zusammen“, so Ergün abschließend.
Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland, berichtet gegenüber IslamiQ, dass die Moscheen in Deutschland mittlerweile Erfahrung mit den aktuellen Hygienevorschriften haben und diese ohne Probleme auch in diesem Jahr vorbildlich umsetzen werden. Auch seien laut Kesici Online-Angebote weiter ausgebaut worden.
„Die Ausgangssperren werden in einigen Kommunen dazu führen, dass auch dieses Jahr die Nachtgebete ausfallen werden. Es ist sehr wichtig, dass man die Vorschriften und Regel vor Ort gut kennt und auch einhält“, so Kesici weiter.
Natürlich seien Muslime traurig über die fehlende Gemeinsamkeit, „aber es geht um unsere Gesundheit und daher ist es sehr wichtig, weiterhin Distanz zu bewahren und so gut es geht die sozialen Kontakte zu reduzieren“.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD) Aiman Mazyek befürchte, dass einige Moscheen nach Corona nicht mehr existieren würden. Er sprach von „dramatischen Situationen“, auch weil durch die Moscheeschließungen die Haupteinnahmen der Gemeinden in Form von Spenden wegfielen.
Zu Gottesdiensten in den Moscheen sind auf einer Fläche von 100 bis 200 Quadratmetern laut Mazyek nicht mehr als 20 bis 30 Personen zugelassen. Auch die abendlichen Iftar-Essen, sowie das dreitägige Fest am Ende des Ramadan könnten nur unter Einschränkungen stattfinden. Grundsätzlich seien die in den jeweiligen Bundesländern geltenden Regeln einzuhalten, so Mazyek.
Wie die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) ankündigte, werden Predigten oder Lesungen online angeboten. „Aufgrund der allgemeinen pandemischen Situation und ihren vielen Einschränkungen werden wir dieses Jahr tagsüber nicht nur auf das Essen und Trinken verzichten, sondern auch auf die gemeinschaftliche Spiritualität“, heißt es in einer Mitteilung der DITIB. Demnach finde der Ramadan dieses Jahr unter dem Motto „Ramadan und innere Einkehr“ durch vielfältige alternative Begegnungs- und Kommunikationsmöglichkeiten den Weg zu den Muslimen. Muslime werden diesen Ramadan im engsten Familienkreis verbringen, womit er auch dieses Jahr familiärer wird und ganz andere Möglichkeiten der Spiritualität ermögliche.
Die Moscheen sollen lokale Online-Angebote für die verschiedenen Arbeitsbereiche (religiöse Unterweisung, Frauenarbeit, Seminare, Vorträge, Besprechungen u.ä.) anbieten. Bereits im letzten Jahr zum Ramadan gestartete Online-Angebote konnten über das Jahr hinweg weiterentwickelt werden.