Nach Veröffentlichung der umstrittenen „Islam-Landkarte“ hagelt es Kritik von allen Seiten. Daraufhin entfernen die Betreiber die Karte aus dem Netz.
Nach starker Kritik an der „Islam-Landkarte“ wurde sie von der Website entfernt, jedoch handle es sich „um eine kurzzeitige Unterbrechung“, so die Meldung auf der Seite. Weiterhin hagelt es aber Kritik.
Der Wiener Kardinal und Erzbischof Christoph Schönborn sagte in seiner Fronleichnamspredigt im Stephansdom, er sorge sich um den Erhalt des Religionsfriedens in Österreich. Bei aller berechtigten Vorsicht und Sorge um die öffentliche Sicherheit dürfe nie vergessen werden, dass jeder Mensch völlig unabhängig von Herkunft und Weltanschauung als Ebenbild Gottes „eine unzerstörbare Würde“ habe. Und dazu gehöre auch der Respekt vor der „Gegenwart Gottes im Leben der anderen Religionen“.
„In einer Zeit, in der viele Umfragen bestätigen, dass die antimuslimische Stimmung in Österreich und in ganz Europa zunimmt“, stigmatisiere die Karte alle in Österreich lebenden Muslime als potenzielles Sicherheitsrisiko, erklärte der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner und Oberrabbiner von Moskau, Pinchas Goldschmidt, am Donnerstag. Er kritisierte insbesondere, dass die Karte auch interreligiöse Organisationen wie den Muslim Jewish Leadership Council, dessen Co-Vorsitzender Goldschmidt ist, mit einschließe. „Wir fordern die österreichische Regierung nachdrücklich auf, ihre Verpflichtungen zur Achtung der Rechte auf Vereinigungsfreiheit, freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit einzuhalten“, so der Rabbiner.
In einem offenen Brief an die Bundesministerin Susanne Raab forderten die Kultusgemeinden der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) am Mittwoch, die Offline-Stellung der „Islam-Landkarte“ zu veranlassen. Leider müssen wir aktuell miterleben, dass die von Ihnen geführte öffentliche Debatte den Islam und die österreichische Gesellschaft zu Gegenpolen stilisiert und pauschal alle MuslimInnen und ihre Einrichtungen als potenzielle Gefahr für die Gesellschaft und demokratische Rechtsordnung stigmatisiert“, heißt es in dem Brief. Die veröffentlichte „Karte“ nähre eine Verdachtskultur und schüre Misstrauen und Angst, statt für Transparenz und Aufklärung zu sorgen. In keinem Fall jedoch stelle sie „ein wirksames Mittel zur Bekämpfung extremistischer Ideologien und Gruppierungen“ dar.
„Wären Sie an einem ehrlichen Dialog interessiert, hätten Sie sich zumindest die Mühe machen müssen, im Vorfeld Ihrer Präsentation an die Islamische Glaubensgemeinschaft und unsere Kultusgemeinden heranzutreten, um etwaige Missverständnisse auszuräumen. Diese Chance ist nun leider vertan“, so die IGGÖ abschließend.
Der Schweizer Soziologe Marc Helbling mahnte zu einer differenzierteren Sicht auf den Islam in Österreich und Europa. Weil es aber in Österreich hauptsächlich „gemäßigte Gläubige“ gebe, müsse man „sehr vorsichtig sein, wie man an die Öffentlichkeit tritt“, so Helbling, der auch neuer Hans-Blumenberg-Gastprofessor am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster ist.
Die spärlichen Informationen zu den in der Karte aufgeführten muslimischen Moscheen und Vereinen sowie die Tatsache, dass die Wiener Dokumentationsstelle „Politischer Islam“ als Herausgeber fungiere, berge die Gefahr, moderate und fundamentalistische Einrichtungen zu vermengen. Die in den vergangenen Tagen besonders kritisierte Angabe der jeweiligen Adressen dieser Einrichtungen sei zudem auch irrelevant für eine wissenschaftliche Diskussion.
Die vergangene Woche von der Dokumentationsstelle „Politischer Islam“ veröffentlichte „Islam-Landkarte“ verzeichnet mehr als 600 islamische Vereine und Moscheen in Österreich mit genauer Ortsangabe und teilweise veralteten Informationen über die dahinter stehenden Dachorganisationen. Nachdem Unbekannte in den vergangenen Tagen „Warnschilder“ aufgestellt hatten, nahmen die Herausgeber, darunter auch das Institut für islamisch-theologische Studien der Universität Wien, die Karte aus dem Netz.
Institutsleiter Professor Ednan Aslan veröffentlichte auf der Website der Karte eine Erklärung, in der es heißt: „Die Islamlandkarte wollte eine differenzierte Diskussion über das islamische Leben in Österreich ermöglichen und einen positiven Beitrag leisten. Es sollte die Vielfalt des islamischen Lebens in Österreich aufgezeigt werden“. Jedoch bedaure er sehr, dass es in den letzten Tagen vermehrt zu politischer Instrumentalisierung gekommen sei und dass Rechtsextremisten den Zweck dieses Projektes konterkarierten. Die Warnschilder an verschiedenen Orten Wiens seien „erschütternd und verstörend“. (KNA, iQ)