Debatte

Ablehnung einer „Islam-Landkarte“ à la Österreich

Nachdem Österreich eine umstrittene „Islam-Landkarte“ veröffentlichte, fordern Unionspolitiker eine ähnliche Karte für Deutschland. Die Bundestagsfraktionen erteilen dieser Forderung eine klare Absage.

11
06
2021
Deutscher Diversity Tag - Wie vielfältig ist der Bundestag?
Symbolbild: Bundestag © Shutterstock, bearbeitet by IslamiQ.

Letzte Woche wurde in Österreich eine „Landkarte des politischen Islam“ veröffentlicht, die von verschiedenen Seiten stark kritisiert wurde. Kritiker sprechen unter anderem von einem Generalverdacht gegenüber Muslimen. So haben rechtsextreme Gruppierungen Moscheen in Wien mit Schildern versehen, auf denen mit direktem Verweis auf die “Islam-Landkarte“ vor diesen Einrichtungen gewarnt werde. Zudem ist in den vergangenen Tagen ein Anstieg islamfeindlicher Attacken auf Privatpersonen festzustellen. 

Vertreter der Muslime und der Opposition hatten unter anderem kritisiert, dass auf der Karte alle islamischen Einrichtungen gezeigt würden, unabhängig davon, ob sie antidemokratische Tendenzen hätten. Zwischenzeitlich wurde die „Islam-Landkarte“ von der Website entfernt, jedoch handle es sich dabei nur um ein technisches Problem.

Nun forderte der CDU-Innenpolitiker Hans-Jürgen Irmer eine ähnliche Karte für Deutschland. Eine solche Karte sei richtig und wichtig. „Österreich zieht die richtigen Konsequenzen“, erklärte Irmer. Außerdem würde sie als Ergänzung zum vor wenigen Wochen von der Unionsfraktion beschlossenen Maßnahmenpaket gegen „politischen Islamismus“ passen. Ähnliche Forderungen kamen von dem Hamburger CDU-Politiker Christoph de Vries und Thomas Strobl, dem Landesvorsitzenden der baden-württembergischen CDU.

Islam-Landkarte gefährdet Sicherheit von Muslimen

Eine IslamiQ-Recherche kommt zu dem Ergebnis, dass die Bundestagsfraktionen einer solchen Islam-Landkarte für Deutschland eine klare Absage erteilen.

„Die von Integrationsministerin Raab vorgestellte sogenannte ‚Islam-Landkarte‘ ist ein trauriger Höhepunkt der diffamierenden und ausgrenzenden Islampolitik der ÖVP. Durch die Auflistung aller muslimischen Organisationen sind Muslim*innen einem Generalverdacht ausgesetzt und in ihrer Sicherheit massiv gefährdet.“ Das erklärt Filiz Polat, Obfrau im Innenausschuss und Ansprechpartnerin für die Belange des Islams der Grünen, auf Anfrage von IslamiQ. Dass die Union sich dieses missglückte Projekt als Vorbild nehme und damit gegen eine ganze Glaubensgemeinschaft pauschal polemisiere, sei „in Zeiten starker rechtsextremer Kräfte und erstarkender Muslimfeindlichkeit brandgefährlich“, so Polat abschließend.

Islamfeindlichkeit bekämpfen, statt schüren

Auch DIE LINKE lehne eine solche Landkarte ab. Die Karte ziele darauf ab, Muslime und ihre Glaubenseinrichtungen als anders, fremd und potentiell gefährlich darzustellen. Das sei Stigmatisierung. „Dass ein Politiker wie Irmer, der schon Minarett- und Burkaverbote forderte, auch eine Landkarte des politischen Islams fordert, wundert mich nicht. Er ist ein Rechtsaußen der CDU“, erklärt religionspolitische Sprecherin Christine Buchholz gegenüber IslamiQ. Die Union müsse endlich die Gefahr des antimuslimischen Rassismus „ernsthaft bekämpfen, anstatt immer wieder den Islamfeinden der AfD Zugeständnisse zu machen“.

Landkarte in Deutschland überflüssig und populistisch

Für den stellvertretende innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Uli Grötsch, sei die Forderung nach einer Landkarte des politischen Islam in Deutschland „absurd“. „Wenn sie das Ziel verfolgen soll, Islamismus zu bekämpfen, dann wäre sie gar kontraproduktiv, denn sie würde alle muslimischen Vereine stigmatisieren und unter Generalverdacht stellen“, so Grötsch.

Die ganz überwiegende Mehrheit der Muslime stehe fest auf dem Boden des Grundgesetzes und mit genau diesen Muslimen will die SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam religiösen Extremismus bekämpfen. Das gehe nur zusammen. „Eine Landkarte des politischen Islam ist im besten Fall überflüssig, und in jedem Fall populistisch“, so Grötsch weiter.

Die CDU-Bundesfraktion ließ die Anfrage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags unbeantwortet.

 

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Eine solche "Landkarte" würde die Sicherheit in Deutschland nicht erhöhen. Ganz im Gegenteil: Es würden mehr Angriffe auf Moscheen stattfinden. Dass für die CDU die Sicherheit der Moscheen und ihrer Besucher (m/w) nicht so wichtig ist, lässt tief blicken. Sicherheitspolitik auf Kosten der Sicherheit ist inakzeptabel und gefährlich. Wer ernsthaft eine solche "Landkarte" fordert, der ist nicht bei Sinn und Verstand. Und wer nicht bei Sinn und Verstand ist, der eignet sich nicht als Politiker.
11.06.21
19:27