Für den Landesverfassungsschutz ist die Thüringer AfD extremistisch. Bevor die Behörde zu dieser Einschätzung kam, war der Landesverband für sie zunächst Prüf- und später Verdachtsfall. Die Einstufung als Prüffall hätte nicht bekannt gemacht werden dürfen, entschied nun ein Gericht.
Der Thüringer Verfassungsschutz hätte die Einstufung des AfD-Landesverbandes mit dem Vorsitzenden Björn Höcke als Prüffall nicht öffentlich machen dürfen. Ein entsprechendes Urteil verkündete das Verwaltungsgericht Weimar am Montag. Lediglich für den Beobachtungs- und Verdachtsfall gebe es eine Rechtsgrundlage für Öffentlichkeitsarbeit des Landesverfassungsschutzes, nicht aber für die Stufe des Prüffalls, argumentierte das Gericht.
„Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Beobachtungs- und Ermittlungstätigkeit selbst, sondern lediglich die Frage: Wann kann über diese Beobachtungs- und Ermittlungstätigkeit die Öffentlichkeit informiert werden?“, betonte der Vorsitzende Richter der achten Kammer, Thomas Lenhart.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Berufung ließ das Gericht nicht zu, es kann aber ein Antrag auf Berufung beim Oberverwaltungsgericht eingelegt werden. Thüringens AfD-Landessprecher Stefan Möller sprach nach dem Urteil von einem „massiven Rechtsbruch“, den der Verfassungsschutz begangen habe.
Ein Prüffall ist die Thüringer AfD heute längst nicht mehr, sondern nach Ansicht des Landesverfassungsschutzes inzwischen gesichert extremistisch.
Der Thüringer Verfassungsschutz hat im Wesentlichen ein dreistufiges Verfahren, bis es Personen, Gruppen oder – wie im Fall der Thüringer AfD – eine Partei als gesichert extremistisch einstuft.
Zunächst gibt es den Prüffall, bei dem laut Richter Lenhart „die Möglichkeit im Raum steht, dass von Personen und Vereinigungen verfassungsfeindliche Bestrebungen ausgehen“. Beim Verdachtsfall bestehe der «Verdacht, aufgrund von tatsächlichen Anhaltspunkten», dass solche Personen oder Gruppen verfassungsfeindliche Bestrebungen haben, beim „Beobachtungsfall“, wie Lenhart sagte, stehe dagegen mit einer „hinreichenden Sicherheit“ fest, dass es solche Bestrebungen gibt.
Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer bezeichnete das Urteil angesichts des Verfahrens als nicht überraschend, aber dennoch enttäuschend. „In der Tat ging es darum, transparent über die Arbeit des Verfassungsschutzes, gerade mit Blick auf eine Partei, die Öffentlichkeit sehr frühzeitig zu informieren“, sagte Kramer.
Man werde die Entscheidung des Gerichts in Zukunft berücksichtigen. Es stelle sich aber auch die Frage, ob der Gesetzgeber im Thüringer Verfassungsschutzgesetz nicht wenigstens die Option mit aufnehmen sollte, über den Prüffall die Öffentlichkeit zu informieren.
Eine weitere Klage gegen den Freistaat Thüringen zum selben Thema wies das Gericht ab. Kläger waren hier sieben AfD-Abgeordnete sowie die AfD-Landtagsfraktion, denen nach Ansicht des Gerichts die Klagebefugnis fehle.
Eine dritte Entscheidung des Verwaltungsgerichts betraf einen Artikel des Nachrichtenmagazins „Spiegel“, in dem Kramer zu Wort kam. In dem Bericht wurde Kramer im Vorfeld eines AfD-Landesparteitages mit den Worten zitiert: „Wenn die AfD Björn Höcke zum Spitzenkandidaten macht, bekennt sie sich zu dem, was er sagt. Damit würde die Partei zementieren, wo sie steht.“
Die Thüringer AfD sowie Höcke selbst wehrten sich gegen diese Aussage juristisch und wollten mit einer Feststellungsklage die Rechtswidrigkeit dieser Äußerung feststellen, was jedoch nicht gelang. „Nach unserer Ansicht ist diese Äußerung inhaltlich neutral“, sagte Richter Lenhart.
AfD-Landessprecher Möller kündigte an, dass man das Urteil prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden wolle. (dpa/iQ)