Europäischer Gerichtshof

Kopftuchverbot am Arbeitsplatz – Kritik an EuGH-Urteil

Der Europäische Gerichtshof erlaubt erneut ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz. Religionsgemeinschaften kritisieren das Urteil und warnen vor einer Diskriminierung und Ausgrenzung.

16
07
2021
Kopftuchverbot
Demo zum Kopftuchverbot - Brüssel

Religionsvertreter haben ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kritisiert, das ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erklärt. „Die erneute Entscheidung des Europäischen Gerichtshof bezüglich des Kopftuchverbots zeigt deutlich, dass muslimische Belange in Europa nicht ernstgenommen werden“, erklärte der Vorsitzende des Islamrats,Burhan Kesici gegenüber IslamiQ.

Das Gericht konnte nicht zwischen einem religiösen Gebot wie das Kopftuch und einem Symbol wie das Kreuz unterscheiden. Kesici hoffe, dass die deutschen Gericht für die Religionsfreiheit entscheiden. „Ein anderes Urteil würde dazu führen, dass kopftuchtragende Frauen in der ganzen Gesellschaft ausgegrenzt werden“, so Kesici abschließend.

EuGH untergräbt Rechte muslimischer Frauen

Das Gericht sei seiner bisherigen religionsunfreundlichen Linie treu geblieben und „stellt muslimische Frauen ein weiteres Mal vor die Entscheidung: Religion oder Arbeit. Das kann in einer freiheitlichen Grundordnung nicht überzeugen“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). 

Der EuGH untergrabe weiter das Recht muslimischer Frauen auf ein gleichberechtigtes Leben und Arbeiten. Jetzt liege es an deutschen Gerichten, den vom EuGH eingeräumten Gestaltungsspielraum an die nationalen Gerichte zu nutzen und ihren eigenen Weg zu gehen. „Ein Weg, der Menschen unabhängig von ihrer Religion ein diskriminierungsfreies Leben ermöglicht“, so Altaş.

Für den Vorsitzenden des des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, werde es damit zwar auch künftig keine pauschalen Kopftuchverbote in Deutschland geben. „Aber das Signal ist integrationspolitisch zweifelhaft vor dem Hintergrund der so wesentlichen Rechtsgüter wie der Religionsfreiheit und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau“, so Mazyek.

Urteil zum Kopftuchverbot ist „alarmierendes Signal“

Kritik an dem Urteil, das der Gerichtshof am Donnerstag in Luxemburg bekanntgegeben hatte, kam auch von der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER). Deren Präsident, der Oberrabbiner von Moskau, Pinchas Goldschmidt, sprach von einem „weiteren Schritt, die in den Grundrechten verankerte und stets von Europas Politik propagierte Religionsfreiheit weiter auszuhöhlen“. Für moderat religiös praktizierende Menschen sei das Urteil ein „alarmierendes Signal“ bis hin zur Gefahr von Diskriminierungen. „Europas Ansatz zur Integration und Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes sollte anders aussehen, als weiter die Axt an dem Grundrecht der Religionsfreiheit anzusetzen.“

Laut dem Urteil können Unternehmen das Tragen jeglicher politischer, weltanschaulicher oder religiöser Zeichen untersagen, um ihre Neutralität zu vermitteln oder soziale Konflikte zu vermeiden. Ein Verbot ist aber nur möglich, wenn dem Unternehmen ansonsten Nachteile entstehen oder die unternehmerische Freiheit beeinträchtigt wird. Zudem dürften im Fall eines Kopftuchverbots keine sichtbaren Zeichen anderer Religionen erlaubt sein, weder kleine wie ein Kreuz, noch größere wie die jüdische Kippa. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Kopftuchverbote sind immer diskriminierend und nichts anderes als ein Ausdruck von Intoleranz sowie antimuslimischem Rassismus. Wer dies in Zweifel zieht, relativiert oder gar in Abrede stellt und Kopftuchverbote rechtfertigt, der offenbart damit nur welch Geistes Kind er ist. Es wird erst Ruhe einkehren, wenn alle Kopftuchverbote abgeschafft sind und ein für allemal der Vergangenheit angehören. Und nicht vorher. So wird es auch auf jeden Fall kommen, und nicht anders. Schande über jene, die religionsfeindlich sind.
16.07.21
16:49
Johannes Disch sagt:
Es sind immer dieselben Reaktionen der selben Leute, die sich als diskriminiert inszenieren. Das wird an den Urteilen nichts ändern.
18.07.21
14:11
Brigitte Frank sagt:
Zur Religionsfreiheit gehört auch die negative Religionsfrreitheit. Es geht bei einem der Fälle um das Recht von Eltern auf eine religionsfreie Erziehung in einer Vorschuleinrichtung. Das ist Deutschland legitim. Zum anderen ist das Kopftuch weniger ein religiöses Symbol als z. B. das christliche Kreuz. Das Kopftuch und andere Formen der Verhüllung des weiblichen Körpers sind Ausdruck des Willens in einer patriarchialischen Gesellschaft die Fortpflanzung der Frau zu kontrollieren. Wenn Multikulturalität funktionieren soll, müssen auch die Vorstellungen nichtreligiöser Menschen toleriert werden. Das hätte die Klägerin auch akzeptieren können.
19.07.21
16:40
Johannes Disch sagt:
Ausgerechnet ein Muslim-- Aiman Mazyek-- bemüht das Selbstbestimmuingrecht Frau. Das hat was.
26.07.21
9:01
Johannes Disch sagt:
Die Sache ist ganz einfach: Es handelt sich um eine Rechtsgüterabwägung zwischen dem Grundrecht des Arbeitnehmers auf Religionsfreiheit und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Und hier hat der EUGH zugunsten des Weisungsrechts des Arbeitgebers entschieden. Eine Linie, die der EUGH schon eine Weile vertritt. Eine Linie, die zulässig ist und sich mit europäischem Recht deckt.Das ist alles. Mit Religionsfeindlichkeit hat das nicht das geringste zu tun.
26.07.21
10:53