Die Kapazitätsengpässe beim Hanauer Polizeinotruf 110 wurden bereits Jahre vor dem rassistischen Anschlag von Polizisten moniert. SPD-Fraktionschefin Faeser spricht von einem Skandal.
Die Mängel beim Hanauer Polizei-Notruf 110 sollen bereits lange vor dem rassistischen Anschlag mit neun Toten bekannt gewesen sein und auch zu Beschwerden geführt haben. Das geht aus einem Papier der Hanauer Staatsanwaltschaft hervor, die Vorermittlungen zu dem Notruf geführt hatte. Die SPD-Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag, Nancy Faeser, sprach am Freitag von «skandalösen» Erkenntnissen.
Am 19. Februar vergangenen Jahres hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen, bevor er vermutlich seine Mutter und schließlich sich selbst tötete. Anlass für die Prüfung der Staatsanwaltschaft Hanau war eine Anzeige des Vaters des Anschlagsopfers Vili Viorel Păun. Der 22-Jährige hatte den Täter nach den ersten Schüssen in der Hanauer Innenstadt mit seinem Auto verfolgt, um ihn zu stoppen und dabei mehrfach vergeblich den Notruf gewählt. Kurz darauf war er von dem Attentäter in seinem Auto erschossen worden.
In der vergangenen Woche hatte die Staatsanwaltschaft Hanau in einer 24-seitigen Pressemitteilung über ihre Prüfung informiert. Die nun an die Öffentlichkeit gelangten Passagen, die von mehreren Medien aufgegriffenen wurden, waren darin jedoch nicht enthalten gewesen – mit dem Hinweis, es handele sich um «interne Vorgänge». «Offensichtlich haben das Innenministerium und die Polizeiführung versucht, die besonders kritischen Stellen aus dem Bericht der Staatsanwaltschaft unter Verschluss zu halten», erklärte Faeser. «Das ist mindestens ebenso skandalös wie der Inhalt der nun bekannt gewordenen Textstellen: Wieso hat sich jahrelang niemand darum geschert, dass der Polizeinotruf in Hanau den Anforderungen offenkundig nicht gewachsen war?»
Die Staatsanwaltschaft Hanau hatte ein Ermittlungsverfahren gegen Polizisten wegen der Nichterreichbarkeit des Notrufs abgelehnt. Ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten von Angehörigen der Hanauer Polizeistation sei nicht festgestellt worden, hatte die Behörde vergangene Woche mitgeteilt.
Der Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags zu dem rassistischen Anschlag von Hanau hat seine Arbeit aufgenommen. Bei der konstituierenden Sitzung am Mittwoch in Wiesbaden wurde der SPD-Abgeordneten Marius Weiß zum Vorsitzenden bestimmt.Der Auftrag des Untersuchungsausschusses werde sehr ernst genommen, betonte Weiß. Zum Vize-Vorsitzenden wurde der Grünen-Abgeordnete Frank-Peter Kaufmann bestimmt. Beantragt hatten den Ausschuss die Oppositionsfraktionen von SPD, FDP und Linke. Die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen stimmten dem Antrag zu, die AfD votierte dagegen.
Der Untersuchungssausschuss des hessischen Landtags zum rassistischen Anschlag mit neun Toten in Hanau kommt am heutigen Montag (14.00 Uhr) zu seiner nächsten, nicht-öffentlichen Sitzung zusammen. Dabei soll der Berichterstatter gewählt werden. (dpa, iQ)