Die Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Grundpfeiler der internationalen humanitären Zusammenarbeit. Vor 70 Jahren verabschiedet, steht sie inzwischen in der Kritik. Zum Jahrestag melden sich ihre Verfechter zu Wort.
Sie gilt als Errungenschaft der Menschheit und ist der Grundpfeiler des internationalen Flüchtlingsrechts: Die Genfer Flüchtlingskonvention. Sie gibt Verfolgten ein Recht auf Asyl und verbietet es, Menschen dahin zurückzuschicken, wo ihnen Verfolgung droht. 70 Jahre nach der Verabschiedung am 28. Juli 1951 sind weltweit 34 Millionen Menschen wegen Konflikten und Verfolgung in ihrem Heimatland auf der Flucht. Die Zahl steigt Jahr für Jahr. Für fast 1,5 Millionen Menschen sucht das UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) händeringend nach Aufnahmeplätzen. Migration und Asyl spalten Gesellschaften. Ist die Konvention noch zeitgemäß?
Die Europäische Union lässt Flüchtlinge nach Ansicht einer Expertin teils im Stich und verstößt damit gegen internationales Recht. Diese Kritik äußert die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration, Petra Bendel, anlässlich des 70. Jahrestags der Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention am Mittwoch dieser Woche.
„Der Anlass muss Mahnung und Ansporn sein und sollte die Europäerinnen und Europäer daran erinnern, dass sie eine Verpflichtung gegenüber Flüchtlingen haben“, sagte Bendel, Politikwissenschaftlerin an der Universität Erlangen-Nürnberg, der Deutschen Presse-Agentur. „Und man muss den Finger in die Wunde legen: Diese Verpflichtung wird vielfach gebrochen.“
Auch der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, hat zahlreiche Länder aufgerufen, die Prinzipien der Genfer Flüchtlingskonvention zu verteidigen. Er sei alarmiert, weil europäische und andere Länder immer öfter versuchten, sich ihren Verpflichtungen zu entziehen, sagte Grandi. Das Dokument ist der Grundpfeiler des weltweiten Asylwesens. Unterzeichner müssen Menschen Schutz gewähren, die darum bitten, weil sie in ihrer Heimat verfolgt werden. Die Asylsuchenden dürfen nicht dorthin zurückgeschickt werden, wo ihnen Verfolgung droht. „Dank der Konvention sind Millionen Menschenleben gerettet worden“, sagte Grandi.
Der Italiener nannte kein Land beim Namen. Er verurteilte aber, dass die griechische Küstenwache Flüchtlingsboote Richtung Türkei zurückdränge, und dass Chile Venezolaner ausgewiesen habe, ohne ihren Anspruch auf Asyl individuell zu prüfen. Pläne etwa in Großbritannien oder Dänemark, Asylsuchende in Drittländer zu schaffen, um dort ihre Anträge zu prüfen, kritisierte er ebenfalls.
„Zum 70. Jahrestag hätten wir eigentlich über die Ausweitung der Genfer Flüchtlingskonvention um weitere Fluchtursachen diskutieren müssen. Stattdessen sorgen wir Sorgen um die zunehmende Aushöhlung des Abkommens“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). So stehe die Genfer Flüchtlingskonvention in vielen Teilen der Erde – auch in Europa – nur noch auf dem Papier. Doch müsse jeder, der in Not sei, Schutz genießen.
„Wir sind Zeugen einer sich immer weiterverbreitenden Haltung, die politische und wirtschaftliche Interessen der Menschenwürde unterordnet; Eine Haltung, die sich nicht am Menschen und seinem Wohl orientiert, sondern am Profit“, so Altaş weiter. Rund um den Globus sei werden massive Menschenrechtsverletzungen begangen, mit denen man sich nicht abfinden und anfreunden könne. „Wir wollen keine Entrechtung von Menschen. Wir wollen Menschlichkeit und eine Grundhaltung, die sich daran orientiert“, so Altaş abschließend.
Auch der Vorsitzende des Islamrats Burhan Kesici äußert sich anlässlich des Jahrestags. Heute seien weltweit mehr als 82 Millionen Menschen auf der Flucht vor Armut, Kriegen, Konflikten und Unterdrückungen. Dabei machen Tausende eine „qualvolle Reise, um Sicherheit und ein besseres Leben zu suchen“. Es obliege den wohlhabenden Staaten, Verantwortung in Bezug auf die Aufnahme und Unterstützung von Flüchtlingen zu übernehmen und Verantwortung für Menschen in dringender Not zu tragen, muss ohne Diskriminierung erfolgen. „Das ist unsere gemeinsame Aufgabe und Herausforderung“, so Kesici abschließend. (dpa, iQ)