Laut Geschäftsordnung sind alle Fraktionen des Bundestags im Präsidium vertreten. Die AfD fiel bei den anderen Parteien gleich mit sechs Kandidaten durch.
Im Streit um einen Stellvertreter-Posten im Präsidium des Deutschen Bundestags ist die AfD-Fraktion mit einem Eilantrag in Karlsruhe gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht lehnte es ab, den Bundestag bis zu einer Entscheidung über die eigentliche Klage zu einer Anpassung des Wahlverfahrens zu verpflichten. So etwas sei in einem Organstreit grundsätzlich nicht vorgesehen, teilte das Gericht am Mittwoch mit. Auch ein zweiter Eilantrag, der von einem einzelnen AfD-Abgeordneten stammt, wurde abgewiesen. In diesem Verfahren soll am 10. November verhandelt werden, wie parallel angekündigt wurde. (Az. 2 BvE 2/20 u.a.) Damit zeichnet sich ab, dass die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats über die zentrale Klage der Fraktion gegen den Bundestag ohne Verhandlung per schriftlichem Beschluss entscheiden werden.
Die AfD stellt in der zu Ende gehenden Wahlperiode als einzige Fraktion keinen Stellvertreter im Bundestagspräsidium. Sechs Kandidatinnen und Kandidaten hatten sich über die vier Jahre hinweg zur Abstimmung gestellt – aber die anderen Parteien hatten ihnen in den drei möglichen Wahlgängen die erforderliche Mehrheit verweigert. Denn viele Abgeordnete wollen die Rechtspopulisten grundsätzlich nicht im Leitungsgremium des Bundestags vertreten sehen. Der Bundestagspräsident oder die -präsidentin repräsentiert den Bundestag nach außen und bekleidet protokollarisch das zweithöchste Amt im Staat, kommt also noch vor der Kanzlerin oder dem Kanzler. Im Wechsel mit den Stellvertretern leitet er oder sie die Sitzungen und wacht über die Einhaltung der parlamentarischen Ordnung.
Die „Schaffung neuen, allgemeingültigen Verfahrensrechts“ ist nach der Entscheidung der Verfassungsrichterinnen und -richter im Eilverfahren aber nicht möglich. Sie geben auch zu bedenken, dass die AfD damit immer noch nicht das erstrebte Amt innehätte. Außerdem sei der Eilantrag erst sehr spät – im November 2020 – gestellt worden. Fraktionsjustiziar Stephan Brandner äußerte die Hoffnung, dass „in der Hauptsache zeitnah in unserem Sinne entschieden wird“, dies „wäre im Sinne einer funktionierenden Demokratie“. Es sei niemandem zu erklären, dass sich sämtliche andere Fraktionen nicht an das hielten, was sie mit der Geschäftsordnung selbst beschlossen hätten.
Die Linksfraktion teilte mit, der Bundestag habe sich autonom verschrieben, dass jede Fraktion vertreten sein solle. „Als freie Abgeordnete sind wir allerdings nicht verpflichtet, die antidemokratische und zum Teil faschistische AfD in das Herz der Demokratie zu hieven“, sagte ihr verfassungspolitischer Sprecher Niema Movassat. Jeder Abgeordnete müsse frei wählen können. Die Klage, über die im November verhandelt werden soll, stammt von dem AfD-Abgeordneten Fabian Jacobi und richtet sich gegen den Bundestagspräsidenten. Hier geht es um die Frage, ob auch einzelne Abgeordnete oder nur die Fraktion ein Vorschlagsrecht für die Wahl haben. Jacobi hatte im November 2019 im Bundestag einen Alternativkandidaten vorschlagen wollen. Die Vizepräsidentin, die damals die Sitzung leitete, hatte seinen Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Ein einzelner Abgeordneter habe kein Vorschlagsrecht.
In Bayern verlor die dortige AfD-Landtagsfraktion derweil eine Klage. Der Landtag kann Mitglied in dem gegen Rechtsextremisten gerichteten „Bündnis für Toleranz“ bleiben. Der Verfassungsgerichtshof in München wies eine Klage der AfD-Fraktion am Mittwoch ab. Die Mitgliedschaft in dem Bündnis verletzt laut Urteil nicht die Neutralitätspflicht des Staates. Die Rechtspopulisten wollten den Landtag per Gerichtsurteil zwingen, das 2005 auf Initiative der evangelischen und der katholischen Kirche gegründete Toleranzbündnis zu verlassen, das gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus eintritt. Die klagenden AfD-Abgeordneten argumentierten, dass diese Inhalte ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des Staats seien und das freie Mandat der Abgeordneten verletzten.
Das Chemnitzer Bündnis Nazifrei hat einen Aufruf gegen die Wahl der AfD bei der Bundestagswahl gestartet. Mit der Kampagne solle vor der „Gefahr, die von der AfD ausgeht“ gewarnt werden, teilte das Bündnis am Mittwoch mit. Es sei wichtig, dass die Zivilgesellschaft gemeinsam Haltung gegen diese Partei zeige. Die AfD sei eine offen rassistische und unsoziale Partei. Den Aufruf haben laut Chemnitz Nazifrei weitere Akteure unterzeichnet, darunter die Chemnitzer Grünen, Linke, SPD und Die Partei. Auch Umweltverbände und Gewerkschaftsgruppen gehören demnach zu den Unterzeichnern. (dpa)