Wegen Notruf-Engpässe bei der Polizei am Tatabend des Hanauer Anschlags mussten Menschen mit ihrem Leben bezahlen. Mit dem neuen modernen Polizeipräsidium soll kein Notruf mehr ins Leere laufen.
Notruf-Engpässe wie am Tatabend des Hanauer Anschlags vor eineinhalb Jahren sollen dank des neuen Polizeipräsidiums Südosthessen künftig der Vergangenheit angehören. Aus dem gesamten Main-Kinzig-Kreis sowie aus der Stadt und dem Landkreis Offenbach gehen nun in der Leitstelle des Präsidiums zentral die Notrufe ein, die dort abgearbeitet werden. Im Falle eines erhöhten Notrufaufkommens und falls alle Abfrageplätze belegt sind, werden sie dank eines Überlaufs ins Polizeipräsidium Frankfurt weitergeleitet, wie Polizeisprecher Thomas Leipold am Donnerstag in Offenbach erläuterte. „Es läuft kein Notruf mehr ins Leere.“
Am 19. Februar 2020 hatte ein 43-Jähriger in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen, bevor er vermutlich seine Mutter und schließlich sich selbst tötete. Der 22-Jährige Vili Viorel Păun hatte den Täter nach den ersten Schüssen in der Hanauer Innenstadt mit seinem Auto verfolgt, um ihn zu stoppen und dabei mehrfach vergeblich den Notruf 110 gewählt. Kurz darauf war er von dem Attentäter in seinem Auto erschossen worden. Wie aus einem kürzlich veröffentlichten Papier der Hanauer Staatsanwaltschaft hervorgeht, sollen die Kapazitätsengpässe bei dem Hanauer Notruf bereits Jahre vor dem Anschlag von Polizisten moniert worden sein.
Das neue Präsidium, das Arbeitsplätze für rund 900 Bedienstete bietet, war Anfang August in Betrieb genommen worden. Neben dem Polizeirevier Offenbach umfasst es unter anderem zahlreiche Büro- und Besprechungsräume ebenso wie eine Gefangenensammelstelle, die hessenweit einzige barrierefreie Gewahrsamszelle mit erhöhtem Schlafplatz sowie eine Mehrzweckhalle, die neben dem Sport auch für Personalversammlungen und als Notunterkunft genutzt werden kann.
Eine Hightech-Laborstraße ermögliche die Auswertung von Spuren nach modernsten Standards, sagte der Erste Kriminalhauptkommissar und Leiter des Erkennungsdienstes, Thomas Antl. Gerade in diesem Bereich werde mit dem neuen Präsidium ein Zeitsprung in der Ermittlungsarbeit erreicht. Man sei damit in der Lage, Spuren schneller sichtbar zu machen als je zuvor.
Ursprünglich sollte das neue Präsidium bereits im Jahr 2014 fertig gestellt sein, doch hatte sich das Projekt unter anderem wegen eines gerichtlichen Streits zweier Bieter verzögert. Das Projekt wurde im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP) in einer Bauzeit von drei Jahren seit der Grundsteinlegung umgesetzt. Auftraggeber ist das Land Hessen und Gesellschafter unter anderem das Projektmanagementunternehmen Goldbeck Public Partner GmbH, das das Gebäude betreibt und auch als Vermieter fungiert. Die Investitionen für den Neubau beliefen sich auf rund 160 Millionen Euro. (dpa, iQ)