Afghanistan

Vertreter von Religionen zu Afghanistan: Mitverursachtes Leid abmildern

Politiker und Vertreter von Religionen fordern zu schnelleren Hilfen für Menschen in Gefahr in Afghanistan auf. Mitverursachtes Leid könnte zumindest so ein Stück abgemildert werden.

20
08
2021
Afghanistan
Symbolbild: Passagierflugzeug zur Rettung von Menschen © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Die Ereignisse in Afghanistan erfordern nach Meinung von Politikern und von Vertretern der Religionsgemeinschaften eine kritische Bilanz der jüngsten Entwicklungen am Hindukusch. Sie riefen am Dienstag zugleich zu schneller Hilfe für die Menschen im Land auf. Ihnen gelte uneingeschränkte Solidarität. Man sei in Gedanken, in den Herzen und den Gebeten bei ihnen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte die Bilder aus Kabul „beschämend für den politischen Westen“. Das Scheitern der jahrelangen Anstrengungen, ein stabiles und tragfähiges Gemeinwesen aufzubauen, werfe grundlegende Fragen zum außenpolitischen und militärischen Engagement Deutschlands auf.

Nach Ansicht der Deutschen Bischofskonferenz stellt die Machtübernahme der Taliban „eine desaströse Niederlage“ der USA und anderer westlicher Staaten dar. „Die jetzt eingetretene Lage zehrt das politische Vertrauenskapital der westlichen Länder auf und wird von vielen in aller Welt als moralischer Bankrott verstanden“, sagte der Konferenzvorsitzende, Bischof Georg Bätzing.

Unverzügliche und unbürokratische Hilfe für „allen Menschen in Gefahr“

Für den Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) Bekir Altaş stehe die Bundesregierung in der Pflicht, das maßgeblich mitverursachte Leid in Afghanistan durch schnelle und unbürokratische Hilfe zumindest ein Stück weit abzumildern. „Es ist beschämend und unverantwortlich, wie die Bundesregierung den Abzug aus Afghanistan durchgeführt hat. Sie hat Menschen durch aktives Unterlassen in Lebensgefahr gebracht. Warnungen aus den Ministerien selbst sowie von unabhängigen Expertinnen und Experten wurden nicht beachtet, offensichtliche Entwicklungen in Afghanistan lange ignoriert“, äußert sich Altaş in einer Mitteilung.

Nun müsse es aber zunächst darum gehen, allen Menschen in Gefahr unverzügliche und unbürokratische Hilfe zukommen zu lassen – „allen Menschen in Gefahr!“ Es sei „nicht die Zeit, Arbeitsverträge von Ortskräften auszuwerten oder Namenslisten zu führen“, es sei die Zeit des schnellen Handelns, um das maßgeblich mitverursachte Leid zumindest ein Stück weit abzumildern. „Wir stehen an der Seite aller Menschen, die jetzt um ihr Leben fürchten müssen. Ihnen gilt unsere uneingeschränkte Solidarität. Wir sind in Gedanken, in unseren Herzen und unseren Gebeten bei ihnen“, so Altaş abschließend.

Hilfsprogramme unterfinanziert – nicht genügend zu essen

Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) forderte eine Debatte über Deutschlands Rolle. ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann unterstrich, dass das Konzept des „nation building“ gescheitert sei. Der Westen habe die zivilen, friedensfördernden Kräfte nicht ausreichend gestützt. Der Deutsche Caritasverband sprach von einem massiven politischen Versagen auch der Bundesregierung.

Auch Diakonie, Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe forderten eine unbürokratische Aufnahme besonders gefährdeter Personen. Anrainerstaaten wie die Türkei, Pakistan und der Iran brauchten Unterstützung, um diese Menschen aufzunehmen.

Unterdessen rief die Welthungerhilfe dazu auf, die Zivilbevölkerung in Afghanistan trotz der Taliban nicht im Stich zu lassen. Rund 18,4 Millionen Afghanen hätten nicht genügend zu essen. Schon jetzt seien die Hilfsprogramme unterfinanziert, sagte Generalsekretär Mathias Mogge der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Luftbrücke zur Rettung gefordert

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl fordert eine Luftbrücke zur Rettung gefährdeter Menschen aus Afghanistan. Die bisherigen Evakuierungspläne der Bundesregierung griffen zu kurz. „Taliban halten sich nicht an die deutsche Kernfamilie“, erklärte Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt in Frankfurt. Auch erwachsene Angehörige von Ortskräften, Angehörige von politisch Verfolgten sowie bei Subunternehmen Beschäftigte seien in Gefahr. Das gelte auch für Angehörige von in Deutschland lebenden Schutzberechtigten. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Afghanistan steht am Anfang einer humanitären Katastrophe. Und niemand traut sich, die Flüchtlinge hier aufzunehmen, weil man hier Angst vor der Reaktion sowie dem Erstarken der Rassisten hat. Das ist ein Armutszeugnis für die BRD.
21.08.21
0:59
Johannes Disch sagt:
@Dilaver Celik Wir haben bereits 148 000 afghanische Flüchtlinge bei uns.
22.08.21
17:08
Dilaver Çelik sagt:
Johannes Disch, und weitere afghanische Flüchtlinge werden noch kommen. Ob das hier gewisse Leute einsehen wollen oder nicht. Verhindern lässt sich der Flüchtlingsstrom auf Dauer eh nicht. Der Staat muss deshalb vorbereitet sein, wenn die Flüchtlinge hier eintreffen.
22.08.21
18:39
Vera sagt:
Der hier zitierte IGMG-Redner scheint vergessen haben, daß das Leid in Afghanistan maßgeblich duch die radikalislamischen Taliban-Scharia-Kämpfer verursacht wurde und wird. Deren menschenverachtendes Agieren, vor dem die Menschen voller Angst flüchten, ist in Wahrheit besonders beschämend und unverantwortlich und gehört primär angeprangert. Ausserdem könnten die arabischen Länder eine hilfreiche Luftbrücke zur Rettung und Verhinderung einer humanitären Katastrophe einrichten und viele Flüchtlinge aufnehmen. Wenn von dort aber keine Reaktion und Fluglinie kommt, so wäre das wirklich ein großes Armutszeugnis für diese megareichen islamischen Länder. So hilfreich ist Deutschland: Am 31.12.2020 lebten 271.805 Afghanen (m/w/d) in Deutschland. Insgesamt lebten nach dem Ausländerzentralregister (AZR) am 31.12.2020 in Deutschland 11 Millionen und 432.460 Ausländer. Das sind per Definition Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes sind. Dazu zählen auch Staatenlose und Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit.
22.08.21
20:44
Johannes Disch sagt:
Deutschland hat sich nichts vorzuwerten hinsichtlich des Themas "Aufnahme von Flüchtlingen" und muss sich auch kein schlechtes Gewissen einreden lassen. Deutschland hat nach wie vor das großzügigste Asylrecht der Welt und wir haben in den letzten Jahren mit die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Alleine im Jahre 2015/16 waren es ca. 1,3 Millionen. Sicher werden wir auch in der aktuellen Situation Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen, was ein Gebot der Menschklichkeit ist. Es geht aber um das Augenmaß. Armin Laschet hat recht, wenn er sagt, wir lösen die Probleme Afghanistans nicht, wenn wir ganz Afghanistan zu uns holen. "Herzlos" titelte daraufhin die linke Presse. Man kann Politik aber nicht im Namen der Nächstenliebe machen, sondern nur mit Rationalität. Emotionale Floskeln führen nicht weiter. Politik hat sich primär am nationalen Interesse auszurichten. Das gilt auch beim Thema Flüchtlinge. Wir sollten uns vielleicht mal wieder einen alten römischen Rechtsgrundsatz zu eigen machen, der da lautet "nemo potest argui de feodo sui", was übersetzt in etwa bedeutet: "Niemand darf über den Rahmen seiner Möglichkeiten hinaus belastet werden."
25.08.21
14:01
Charley sagt:
Es ist schon absurd, was Bekir Altaş (IGMG) hier sagt: "Die Bundesregierung ... hat Menschen durch aktives Unterlassen in Lebensgefahr gebracht." In Lebensgefahr durch wen? In Lebensgefahr durch Leute, die denselben Koran benutzen wie IGMG. Und wir hatten es schon öfter hier in den Foren, wie sich die Moslems von diesen Radikalen (eben auch Moslems) abgrenzen, z.B. in der Meinungsfreiheit (Stichwort "Mohammedkarrikaturen"), in der Gleichberechtigung der Frauen (im Gegensatz zur Sharia), moderne Rechtsprechung (Körperstrafen, Zeugenrecht, Apostasie usw..), den Menschenrechten usw.... und zu alledem gibt es immer nur windelweiche Statements. Wenn Herr Bekir Altaş sagen würde: "Wir Moslems hier in Deutschland haben unser Grundsatzprogramm, in dem wir deutlich die hinterwäldlerische Koranauslegung der Taliban, Saudi-Arabiens usw... ablehnen und uns konkret dagegen aussprechen..." dann würde ich ihm zuhören. Es ist schlichtweg Heuchelei und Hohn, was er hier von sich gibt. Er hat nicht das moralische Recht, vor den bedrohenden Moslems (Taliban) zu warnen, wenn er sich nicht schärfer davon abgrenzt. Und jedes dieser "Abgrenzung"-statements zeugt mehr davon, dass man sich die Hintertür auf halten will, auch so eine irgendwie "ähnliche" Koranauslegung einmal ins Auge zu fassen..... (Falls jmd. das nicht versteht... mal nachlesen, was in den Kommentaren geschrieben wurde zur Enthauptung von Samuel Paty. Hätte der IGMG daraufhin die Mohammed-Karrikaturen selbst veröffentlicht (nicht, weil er diese gutheißt, sondern weil er damit demonstrieren will, wie grundsätzlich er die Meinungsfreiheit anerkennt), dann würde ich diese Leute ernst nehmen... so... wie gesagt: heuchelnd und höhnend.
30.08.21
13:20
Charley sagt:
Ein jeder möge vergleichen, was Islamiq an Werten propagiert unter https://www.islamiq.de/netiquette/ und dann betrachten, was Dilaver Çelik, kontrolliert und offensichtlich von islamiq gebilligt (Forenbeiträge werden immer von Islamiq vor der Veröffentlichung gelesen!) hier veröffentlichen durfte! Betrifft Statement von Dilaver Çelik 31.08.21 um 15:11 @Dilaver Çelik: Vielen Dank dafür, dass Sie im Übermaß jegliche Vorbehalte, die man gegen die Primitivität von fanatischen Moslems wie Ihnen haben darf, hier bestätigt haben. Besser könnten Sie mein Posting gar nicht bestätigen.
01.09.21
14:04
Charley sagt:
Dank an die Islamiq-Redaktion! Ich wandte mich direkt wegen Dilaver Çeliks Posting vom 31.08.21 um 15:11 (jetzt eben von Islamiq gelöscht) an die Islamiq-Redaktion. Ich erhielt als Antwort dieses: "Hallo Charley, den Kommentar haben wir wohl versehentlich freigestellt. Es tut und leid, dass wir den Kommentar nicht bemerkt haben. Dieser Kommentar verstößt nicht nur gegen unsere Netiquette, sondern auch gegen jegliche Menschlichkeit. Der Beitrag wurde sofort gelöscht, da wir so etwas auf unserer Plattform nicht dulden. Mit freundlichen Grüßen Die IslamiQ-Redaktion" Es ist entspannend zu wissen, dass es hier auf Islamiq Menschen mit Kultur und Niveau gibt. Danke nochmals! Ich schreibe dieses, weil ansonsten mein obiges Posting (1.9., 14:04) ohne Sinnzusammenhang hier stünde.
01.09.21
15:31
Johannes Disch sagt:
Von wegen Afghanistan wäre eines der ärmsten Länder der Welt. Das Land ist reich an Bodenschätzen, besonders die begehrten "seltenen Erden." Als zukünftiges "Saudi-Arabien des Lithium" wird von manchen Afghanistan bereits bezeichnet. Das ganze lässt sich aber nur fördern durch eine kompetente Regierung. Das war weder die gerade abgesetzte afghanische Regierung, noch werden es zukünftig die Taliban sein. Und von wegen, der Westen hätte die aktuellle Situation Afhanistans zu versntworten: Der Westen hat die letzten 20 Jahre dort sicher viele Fehler gemacht. Aber gescheitert ist vor allem mal wieder der Islam. Die Unfähigkeit, eine demokratische Zivilgesellschaft aufzubauen. Es gab einmal ein anderes Afghanistan, das eine lange Phase der Moderniät kannte und das ist noch gar nicht so lange her. In den 60iger Jahren herrschte eine Aufbruchstimmung. Da hieß es: Minirock statt Burka. Der afghanische König Zahir Shah-- der von 1933 bis 1973 an der Macht war-- förderte die Rechte der Frauen. 1959 wurde der Zwang zum Tragen des Schleiers abgeschafft. 1963 erhielten Frauen das Wahlrecht. 1973 putschte sich ein Cousin des Königs mit Hilfe des Militärs an die Macht und die Ära der Modernität war damit in Afghanistan zu Ende. Es folgten Militädiktatur, die Sowjets, die Taliban, 20 Jahre eine fragile Republik Afghanistan und nun wieder die Taliban.
02.09.21
13:47
Johannes Disch sagt:
Dass die Taliban wieder an der Macht sind, das ist für den Islam auch theologische eine Katastrophe. Die Taliban werden in der Presse oft als "Steinzeit-Islamisten" apostrophiert. Das ist eine nicht zutreffende Charakterisierung. Die Taliban haben tatsächlich auch einen theologischen Background. Ihr Islam ist der der Deobandi-Schule. Eine einflussreiche Indische Schule. Nach der Al Azhar in Kairo dürfte die Deobandi-Schule die einflussreichste Islam-Schule überhaupt sein. Und das ist keine guter Nachricht. Der Deobandi-Islam ist ein fundamentalistischer Islam, der sich kaum vom reaktionären Wahhabismus der Saudis unterscheidet. Wo bleibt eigentlich der Aufschrei der islamischen Welt gegen die erneute Machtergreifung der Taliban??
04.09.21
18:06
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