Nach mehr als 12 Jahre Zusammenarbeit hat das Land NRW den Vertrag mit seinem Islamberater aufgelöst und ihn angezeigt. Grund seien Zweifel an seiner akademischen Laufbahn. Doch, warum gerade/erst jetzt?
Die NRW-Landesregierung hat den Werkvertrag mit seinem Islamberater Ahmet Ünalan nach mehr als zehn Jahren „einvernehmlich aufgelöst“. Anlass seien „begründete Zweifel in Bezug auf die akademische Laufbahn“ des Beraters. Die Abordnung an die Universität Duisburg/Essen mit dem Ziel der Habilitation sei vorzeitig beendet worden.
Wegen der eingereichten Promotionsurkunde Ünalans laufe derzeit eine Sachverhaltsaufklärung durch die Düsseldorfer Bezirksregierung. Eine Behördensprecherin bestätigte dies gegenüber IslamiQ: „Die Bezirksregierung prüft die Promotionsurkunde eines Wissenschaftlers, der auch an der Universität Duisburg-Essen tätig war.“ Die Tageszeitungen „Welt“ und „Welt am Sonntag“ hatten berichtet, dass der Wissenschaftler seine akademische und berufliche Karriere „offenbar zum Teil auf Falschangaben aufgebaut“ habe. Geprüft werde, ob die Dissertationsurkunde, die Ahmet Ünalan eingereicht hatte, echt ist.
Ahmet Ünalan habe nach eigenen Angaben bereits Anfang Juni seinen Rücktritt angeboten, dieser wurde jedoch Wochen später angenommen und veröffentlicht. Laut der Universität gab es schon länger Gerüchte über den Lebenslauf von Ünalan. Ob dies dem Schulministerium schon vor den Presseberichten bekannt war, wollte das Ministerium nicht beantworten. Gegenüber IslamiQ teilte das Schulministerium jedoch mit, dass gegen Ünalan „Strafanzeige erstattet“ wurde. Da die Staatsanwaltschaft in diesem Fall bereits ermittle, könnten keine weiteren Angaben zu dem Fall gemacht werden.
Nachdem die DITIB 2017 aufgrund Kritik an ihrer Nähe zur türkischen Regierung ihren Sitz im Beirat für den islamischen Religionsunterricht ruhen ließ, wurde sie im Mai dieses Jahres wieder in die Kommission des Islamunterrichts aufgenommen. Dies sorgte erneut für Kritik. Ein Grund mehr für „Die Welt“, den „heißen Draht des Islamverbands im Schulministerium“ zu entlarven. In einem Bericht vom 28.05.2021 wirft das Blatt Ahmet Ünalan Nähe zur DITIB und dem türkischen Staat vor, weil er auf dortigen Veranstaltungen „regelmäßig auftritt“.
Außerdem wird dem Berater vorgeworfen, als Funktionär bei der DITIB tätig zu sein. Bestätigt wurde das von der DITIB bisher nicht. Gerüchten um Lobbyarbeit für die DITIB widersprach das Schulministerium in einer Antwort auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion. „Der frühere pädagogische Mitarbeiter und Berater hat zu keinem Zeitpunkt einen bestimmten Einfluss auf die Entscheidungen des Ministeriums und der Landesregierung ausgeübt“, heißt es dazu von der Landesregierung.
Ein weiterer Punkt betrifft Ünalans Dissertation. Während seiner Promotion war Ünalan Stipendiat der Studienförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er wurde „gemäß den Richtlinien gefördert“. Eine Dissertation oder eine andere Schrift sei nicht im Rahmen einer der Schriftenreihen der Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlicht worden, erklärt die Pressestelle auf Anfrage. Laut den Richtlinien der Studienförderung müssen Stipendiaten die Stiftung „umgehend“ über ihren Studienabschluss informieren und „eine Kopie des Examenszeugnisses und der Urkunde einreichen“. Außerdem sei ein Abschlussbericht vorzulegen. „Erst nach Vorlage dieser Unterlagen verleiht die Konrad-Adenauer-Stiftung ein Zertifikat über die Förderung“, heißt es in den Richtlinien. Warum dabei jedoch die Echtheit der Urkunde nicht kontrolliert wurde, bleibt unbeantwortet.
Wie aus weiteren IslamiQ-Recherchen hervorgeht, hat sich Ünalan nicht selbst an der Universität Duisburg-Essen beworben, sondern wurde vom Schulministerium für vier Jahre an die Universität abgeordnet. Sein „Dienst“ sollte am 31. Juli 2021 enden. Seine Unterlagen, darunter auch die Dissertationsurkunde, wurden von der Bezirksregierung Düsseldorf überprüft und „beglaubigt“. Inwieweit dabei bewusst fahrlässig oder unsauber gearbeitet wurde, bleibt unklar.
Ahmet Ünalan selbst wollte sich aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht zu dem Fall äußern.