Am 26. September finden die Bundestagswahlen statt. Was steht in den Wahlprogrammen zu Islam und Muslimen? Ein Überblick.
Am 26. September wählt Deutschland einen neuen Bundeskanzler bzw. eine neue Bundeskanzlerin und entscheidet damit darüber, wer in die Fußstapfen Angela Merkels treten wird, die dieses Amt 16 Jahre lang innehatte. Prognosen zufolge wird es ein Dreikampf zwischen Armin Laschet (CDU), Annalena Baerbock (Die Grünen) und Olaf Scholz (SPD). Wer am Ende die Wähler für sich gewinnt, hängt bis zu einem gewissen Grad auch mit den Inhalten des Wahlprogramms der jeweiligen Partei ab.
Die Wahlprogramme sind meistens hunderte Seiten lang und widmen sich eine Vielzahl von Themen, von A wie Arbeit bis Z wie Zukunft. Auch Themen wie Islam, Muslime und Integration kommen darin vor. In welchem Umfang und wie diese Themen behandelt werden, und welche Ziele hierbei verfolgt werden, sagt viel über die Grundposition der jeweiligen Partei aus.
Die CDU hat als letzte Partei ihr Wahlprogramm veröffentlicht. Im Hinblick auf die Themen rund um Islam und Muslime hat sich dabei nicht viel geändert. Wie schon 2017 konzentriert sich die CDU vermehrt auf den „Islamismus“ statt auf konkrete Probleme und Bedürfnisse muslimischer Bürger. Den „Islamismus“ möchte die CDU „mit der ganzen Härte unseres Rechtsstaates“ bekämpfen. Dieser Kampf gelte denen, die „das Existenzrecht Israels ablehnen, den inneren Frieden gefährden oder gegen Recht und Gesetz verstoßen“. Hierzu wurde im Mai dieses Jahres auch ein Positionspapier angefertigt.
Im Wahlprogramm heißt es, dass die CDU Islamfeindlichkeit nicht tolerieren werde, denn: „Diese Form des Hasses, die geistige Brandstifter verbreiten wollen, richtet sich gegen uns alle und gegen das, was uns zusammenhält.“ Doch nicht zuletzt waren es Unionspolitiker, die immer wieder mit islamfeindlicher Stimmungsmache auf sich aufmerksam machten. Zuletzt forderten sie eine Islam-Landkarte nach österreichischem Vorbild.
Auch das Thema Integration findet seinen Platz im CDU-Wahlprogramm. „Wer in Deutschland lebt, ist Teil unserer Gesellschaft“, heißt es im Wahlprogramm. Doch dafür müssten Menschen mit Zuwanderungsgeschichte bestimmte Voraussetzungen erfüllen, wie „ein Bekenntnis zu Deutschlands grundlegenden Werten und Normen, seiner Verfassung, seinen Gesetzen, seinen Institutionen, seiner Geschichte, Sprache und Kultur“. Außerdem habe die Union die Erwartung, „dass die zu uns kommenden Menschen unsere Werte teilen, sich an unsere Gesetze halten und unsere Sprache sprechen“. Denn für die CDU besteht Integration aus „fördern und fordern“.
Im Hinblick auf die Integration wird betont, dass es wichtig sei, Imame in Deutschland auszubilden. Ebenso möchte die CDU „mehr Transparenz bei ausländischen Geldgebern von Moscheen in Deutschland herstellen“.
Ferner sieht die CDU die Türkei, dem Herkunftsland der meisten Muslime in Deutschland, als strategischen und wirtschaftlichen Partner für Deutschland und die Europäische Union. Auch wenn die Union weiter „eng mit der Türkei zusammenarbeiten“ möchte, will sie die vorhandene Beziehung „neu ordnen“ und setzt auf „einen offenen, kritischen und konstruktiven Dialog“ mit der Türkei. Gleichwohl teilt die CDU den EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei eine klare Absage. „Eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU wird es mit uns nicht geben“, heißt es im Wahlprogramm. Stattdessen werde man weiterhin auf die enge Partnerschaft setzen.
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Für die Grünen gehört der Islam zu Deutschland. Der Staat darf keine Religion „diskriminieren oder ungerechtfertigt bevorzugen“. Konkret setzen sich die Grünen in ihrem Wahlprogramm mit den Themen Islamfeindlichkeit und Imamausbildung auseinander. Sie mahnen die steigende Islamfeindlichkeit an. Muslime seien „überproportional von struktureller Diskriminierung, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, sowie von gewalttätigen Übergriffen betroffen“, heißt es im Wahlprogramm. Vor allem der Anschlag von Hanau habe gezeigt, wie dringend Schutzkonzepte seien. Den Grünen zufolge müssen Opfer von islamfeindlichen Angriffen „geschützt, beraten und gestärkt“ werden. Zudem sollten die Ursachen von Islamfeindlichkeit „verstärkt“ untersucht werden. Auf das „Wie“ wird im Wahlprogramm jedoch nicht eingegangen.
Ein weiterer Aspekt im Wahlprogramm der Grünen ist die Imamausbildung in Deutschland. Diese sei eine „dringende Notwendigkeit.“ Doch dem Anschein nach möchte man mit den großen islamischen Religionsgemeinschaften wie dem Islamrat oder der DITIB, die schon jahrzehntelang ihre eigenen Imame ausbilden, nicht kooperieren. Stattdessen wollen die Grünen „islamisch-theologische und praxisorientierte Aus- und Weiterbildungsprogramme für Imame in Kooperation mit den Instituten für islamische Theologie bundesweit etablieren und unterstützen“, heißt es im Wahlprogramm weiter. Außerdem möchten die Grünen islamische Religionsgemeinschaften mit „Staatsverträgen unterstützen“. Die einzige Voraussetzung für eine Unterstützung sei, dass diese „in keiner strukturellen Abhängigkeit zu einem Staat, einer Partei oder politischen Bewegung und deren oder dessen jeweiliger Regierungspolitik stehen und sich religiös selbst bestimmen“.
Allerdings werden diesen Themen bei einem Wahlprogramm von 135 Seiten und dem Titel „Deutschland. Alles ist drin.“ nur eine halbe Seite gewidmet. Auf Themen wie „Islamismus“ oder „politischer Islam“ gehen die Grünen nicht ein.
Zuletzt bemängeln die Grünen, dass rechsextremistische Terrorakte wie die NSU-Mordserie nicht „vollständig aufgearbeitet“ wurden. Deshalb plädieren sie für die Errichtung eines NSU-Archivs, „in dem auch die Ergebnisse der 13 parlamentarischen Untersuchungsausschüsse ausgewertet werden und langfristig für Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und die Zivilgesellschaft zugänglich sind“.
Die SPD hat ein Wahlprogramm mit dem Titel „Dein Zukunftsprogramm. Für Deutschland. Für Dich“ vorgestellt. Themen, die mit Islam und Muslimen oder Migranten zu tun haben, werden unter dem Kapitel „Zusammen leben“ kurz und bündig dargestellt. Für Deutschland sei Migration nichts Unbekanntes. „Das macht uns als Gesellschaft reicher und bringt uns voran“, heißt es im 66 Seiten langen Wahlprogramm. Damit Menschen unterschiedlicher Herkunft frei von Diskriminierung leben können, werde die SPD „die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes stärken und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz modernisieren“ und gegen jegliche Form von Rassismus und Extremismus vorgehen. Hierzu fordern sie eine „konsequente“ Erfassung von Straftaten und „die Schaffung einer Bund-Länder- Kommission“.
Außerdem ist die SPD der Meinung, dass der öffentliche Dienst Vorbild in Sachen Integration sein müsse. „Im Sinne der Chancengleichheit ist darauf zu achten, dass auch marginalisierte Personengruppen Zugang zu Stellen im öffentlichen Dienst erhalten und dass es allen Beschäftigten gleichermaßen möglich ist, sich fortzubilden und aufzusteigen“, heißt es im Wahlprogramm weiter. Ob nach dem neuen Beamtengesetz kopftuchtragende Beamtinnen denselben Zugang zu den Stellen erhalten werden, wird nicht ersichtlich. Des Weiteren betont die SPD die Notwendigkeit des interreligiösen Dialogs. Themen wie Imamausbildung und islamischer Religionsunterricht kommen im Programm nicht vor.
Zudem nimmt die SPD Stellung zur Beziehung mit der Türkei. „Den innen- und außenpolitischen Kurs der türkischen Regierung betrachten wir mit Sorge. Die Türkei muss rechtstaatliche, demokratische und völkerrechtliche Prinzipien einhalten“, heißt es im Wahlprogramm. Als Lösung fordert die SPD eine „kritische Erörterung“ dieser Prinzipien.
Bei der liberalen FDP sind Themen rund Islam und Muslime Mangelware. Die FDP setzt sich für eine Gesellschaft ein, „in der jede und jeder unabhängig von Herkunft, Aussehen, Religion oder politischer Ansichten, frei leben und sich frei äußern kann.“ Diese an sich gute Grundhaltung wird getrübt, indem Islamfeindlichkeit im Wahlprogramm mit „Fremdenhass“ gleichgesetzt wird. Trotz der mehr als 900 Angriffe auf Muslime und Moscheen im vergangenen Jahr stellt die FDP keine Forderungen gegen die steigende Islamfeindlichkeit, sondern will eher den Bereich „Islamismus“ bekämpfen. Hierfür fordert sie eine „gemeinsame Präventionsstrategie von Bund und Ländern gegen islamistische Radikalisierung“. So möchten sie bestehende Präventions- und Deradikalisierungsprogramme bewerten lassen und auf Basis der Ergebnisse verbindliche Standards für die Prävention und Deradikalisierung im Bereich des Islamismus erstellen.
Konkreter werden die Liberalen, wenn es um die Organisationen der Muslime geht. Einer Zusammenarbeit mit den großen islamischen Religionsgemeinschaften erteilen sie eine Absage, da sie „den liberalen und progressiven Muslimen, die weniger in den muslimischen Verbänden organisiert sind, ein stärkeres Gewicht einräumen“ möchten. Ziel müsse es sein, dass Glaubensgemeinschaften nicht aus dem Ausland „gesteuert und finanziert werden“, sondern von ihren Mitgliedern in Deutschland. Um dieses Ziel zu erreichen, möchte die FDP die Imamausbildung in Deutschland weiterhin unterstützen.
In Bezug auf Islam und Muslime macht DIE LINKE in ihrem Wahlprogramm auf die steigende Islamfeindlichkeit aufmerksam. Drohungen und Anschläge auf Muslime und Moscheen sind „alltäglich“ geworden. Antimuslimischer Rassismus und alle anderen Formen des Rassismus „dürfen keinen Platz in der Gesellschaft haben“. DIE LINKE möchte Muslime verteidigen, wenn sie aufgrund ihrer Religion diskriminiert werden. Außerdem verteidigt sie das Selbstbestimmungsrecht von muslimischen Frauen, spricht sich gegen Kopftuchverbote aus und lehnt eine Einschränkung von Beschäftigtenrechten auf dieser Grundlage ab.
DIE LINKE sieht die Einwanderung als „Chance“ für die deutsche Gesellschaft und kritisiert die Bundesregierung, die eine Politik von „Abschreckung, Spaltung und Abschottung“ verfolge. Das Ergebnis einer solchen Politik sei „wachsender Rassismus in Gesellschaft und staatlichen Institutionen, wie der Polizei, wo extrem rechte Netzwerke (Stichwort NSU 2.0) ihr Unwesen treiben“.
Im Vergleich zu den obigen Parteien setzt sich die AfD in ihrem 200-seitigen Wahlprogramm viel ausführlicher mit dem Islam auseinander. Sie widmet diesem Thema sogar ein eigenes Kapitel. So sind Muslime für die AfD „geschätzte Mitglieder“ der Gesellschaft, wenn sie sich „integrieren“ und „die Grundrechte anerkennen“. Es sei inakzeptabel, wenn die Kritik am Islam als islamfeindlich und rassistisch eingestuft werde. „Eine Kritik des Islams ist wie jede andere Religionskritik legitimiert durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung“, heißt es im Wahlprogramm.
Die AfD fordert die Abschaffung der islamtheologischen Lehrstühle an deutschen Universitäten, die Ersetzung des Islamunterrichts durch eine sachliche Islamkunde im Ethikunterricht, ein „Burkaverbot“ in der Öffentlichkeit, ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst sowie für Schülerinnen und Lehrerinnen, und ein Verbot der Finanzierung des Baus und Betriebs von Moscheen in Deutschland durch „islamische Staaten“. Außerdem lehnt die AfD die Verleihung des Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts an islamische Organisationen ab und will die Kooperation deutscher Behörden mit der DITIB beenden.
Auch zur Beziehung zur Türkei nimmt die AfD Stellung. Diese beschreibt sie als „schwierig“ und fordert eine Neugestaltung. „Die Türkei gehört kulturell nicht zu Europa. Ihre zunehmende Islamisierung gibt Anlass zur Sorge und zeigt, dass die Türkei sich noch weiter von Europa und der westlichen Wertegemeinschaft entfernt hat“, heißt es im Wahlprogramm. Aus diesem Grund leht die AfD den Beitritt der Türkei zur EU ab und fordert „das sofortige Ende aller Beitrittsverhandlungen“.