Bundestagswahlen 2021

Die Parteien und ihre Islampolitik – ein Überblick

Am Sonntag ist es soweit: Deutschland wählt den neuen Bundestag. Im Wahlendspurt sprach IslamiQ mit religionspolitischen Sprechern über die zukünftige Islampolitik.

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09
2021
Parteien Islam
Von links nach rechts: Dr. Lars Castelucci (SPD), Filiz Polat (Bündnis 90 / Die Grünen), Christine Buchholz (Die Linke)

Am 26. September wählt Deutschland einen neuen Bundestag bzw. einen neuen Bundeskanzler bzw. eine neue Bundeskanzlerin. Wahlberechtigte Muslime haben es schwer, eine Partei zu finden, die ihre Interessen vertritt. In den Wahlprogrammen geht es vielmehr um Sicherheit und Extremismus, als um ihre eigentlichen Belange.

Umfragen zufolge steht Deutschland vor einer schwierigen Regierungsbildung. Es ist weiterhin ein Dreikampf zwischen CDU, SPD und Grünen. Von Rot-Grün und einer Ampelkoalition bis hin zu Jamaika ist alles denkbar.

Inzwischen leben rund 5,5 Millionen Muslime in Deutschland. Sie sind Teil der Gesellschaft und möchten, dass ihre Bedürfnisse und Probleme genauso ernstgenommen werden wie alle anderen Themen.

IslamiQ hat die religionspolitischen Sprechern der etablierten Parteien bezüglich ihrer künftigen Islampolitik angefragt. Während die CDU aufgrund der letzten Wahlkampfwoche um Verständnis bat und nicht antwortete, ließ die FDP die Anfrage unbeantwortet. Dabei ging es um Themen wie das Kopftuchverbot für Beamtinnen, die Imamausbildung in Deutschland, die steigende Islamfeindlichkeit und die zunehmenden Moscheeangriffe.

SPD: Bekämpfung von Islamfeindlichkeit notwendig für friedliches Zusammenleben

Die SPD befürworte wissenschaftliche Theologie an öffentlichen Hochschulen. Doch statt den bekenntisorientierten islamischen Religionsunterricht zu fördern, setze man sich für die Ausbildung von Lehrpersonal an deutschen Hochschulen ein, um „ein angemessenes und ausreichendes Angebot an Islamkundeunterricht unter Aufsicht der Schulaufsichtsbehörden in deutscher Sprache zu erreichen“, erklärt Dr. Lars Castelluci, religionspolitischer Sprecher der SPD, gegenüber IslamiQ. Die praktische Ausbildung von Imamen liege hingegen „in den Händen der Religionsgemeinschaften“. Das gelte entsprechend für alle Religionsgemeinschaften.

„Wir wollen denen den Rücken stärken, die sich für eine offene, vielfältige Gesellschaft und ein friedliches Miteinander einsetzen“, betont Castelluci. Hierzu wurde ein neuer Straftatbestand der verhetzenden Beleidigung geschaffen. Die Bekämpfung von Islamfeindlichkeit und Antisemitismus seien von „herausragender Bedeutung für das friedliche und gerechte Zusammenleben“ in unserer Gesellschaft.

Wo Rassismus vorkomme, müsse er als solcher öffentlich benannt werden. Deshalb wolle die SPD „eine(n) unabhängige(n) Beauftragte(n) der Bundesregierung für Antirassismus berufen, welche(r) auf rassistische Missstände in unserer Gesellschaft aufmerksam macht und dann Lösungen vorschlagen soll, wie diese zu beheben sind“. Castelluci arbeite gegen jedwede Form von Feindlichkeit gegenüber Religion. „Egal ob Moscheen oder Synagogen, es kann und darf nicht sein, dass Menschen, die ihren Glauben leben und zeigen, in Deutschland Angst haben müssen“. So habe Castelluci erlebt, wie die persönliche Begegnung hilft, Ressentiments und Vorurteile abzubauen. „Diesen Austausch müssen wir unbedingt fördern, vor allem in lokalen Kontexten“, erklärt er abschließend.

Grüne: Imamausbildung – keine Einmischung in Lehrinhalte

Auf die Frage, wie die Islampolitik der Grünen für die nächsten vier Jahre aussehen werde, erklärte Filiz Polat, Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik, dass der Staat keine Religion diskriminieren oder ungerechtfertigt bevorzugen dürfe. Aus diesem Grund werde man sich für die „tatsächliche und rechtliche“ Gleichstellung des Islams einsetzen. „Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle mit am Tisch sitzen, mitreden und mitbestimmen können“, betont Polat. Deshalb wolle man die Deutsche Islamkonferenz mit einem klaren Ziel weiterführen.

Für Polat sei die praxisorientierte Ausbildung von Imamen Sache der islamischen Religionsgemeinschaften. „Bund und Länder können dabei finanziell unterstützen, aber eine Einmischung in Lehrinhalte ist ausgeschlossen“.

Die zunehmende Islamfeindlichkeit sei Polat zufolge ein „unaushaltbarer Zustand“, den man so nicht hinnehme. Es sei eine gemeinsame Verantwortung, Islamfeindlichkeit „mit klarer Kante zu begegnen“. Aus diesem Grund wollen die Grünen Betroffene besser geschützt, beraten und stärken, indem sie unabhängige Melde- und Beratungsstellen flächendeckend ausbauen. Um den Schutz von Moscheen zu erhöhen wolle man mit den betroffenen Gemeinden gemeinsam Konzepte erarbeiten.

Zum Schluss erklärt Polat, dass das kürzlich von Union und SPD verabschiedete Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbildes von Beamtinnen und Beamten ebenfalls zu Diskriminierungen von kopftuchtragenden Musliminnen führen könne. „Ein pauschales Verbot religiöser Bekleidung wäre aber eine Einschränkung der grundrechtlich geschützten Religionsfreiheit“.

Die Linke: Diskurse über Islam dienen Stimmungsmache gegen Muslime

„Wir kritisieren deutlich, dass es in Deutschland ein Problem mit antimuslimischem Rassismus gibt. Diese Form des Rassismus benennen wir zwei Mal in unserem Wahlprogramm“, erklärt Christine Buchholz, religionspolitische Sprecherin der Linken auf Anfrage von IslamiQ. Auch der Bundestag müsse antimuslimischen Rassismus genauso ächten wie Antisemitismus und Antiziganismus. Aus diesem Grund stelle sich die Partei „immer und überall“ antimuslimischem Rassismus entgegen. Die medialen und politischen Diskurse über den Islam seien überwiegend geprägt von negativen Stereotypen oder auch durch rechte Kampfbegriffe wie „politischer Islam“ oder „legalistischer Islam“. „Diese Darstellung dient der Stimmungsmache gegen Muslime“, so Buchholz.

Es sei entscheidend deutlich zu machen, dass der Islam und Muslime zu Deutschland gehören. Die Forderungen nach Kopftuch- und Burkaverboten lehne man genauso ab wie Forderungen nach Verboten von Moscheen. Zum besseren Schutz von Moscheen braucht es laut Buchholz „ein Ende der Diffamierung von Moscheen als vermeintliche Horte von Gewalt oder Terror“, denn dieses Narrativ trage zu Angriffen und Gewalt bei. Außerdem sollten Moscheen durchgehenden Polizeischutz, wenn diese es wünschen.

Die Linke sei der Meinung, dass für alle Religionsgemeinschaften die gleichen Regeln gelten müssen, auch im Hinblick auf die Imamausbildung. So müsse eine Aus- und Weiterbildung nach dem Studium der islamischen Theologie geben. Hierfür müssen die universitären und finanziellen Voraussetzungen geschaffen werden. „Bund und Länder sind in der Pflicht, sie müssen hier liefern und mit den muslimischen Verbänden gemeinsam Lösungen finden, denn diese habe ein Recht auf Mitwirkung“, erklärt Buchholz abschließend.

Leserkommentare

Ist es islamisch erlaubt, in Deutschland zu wählen? (Fatwa) – regelmäßige Updates!!! | Susann Uckan schreibt sagt:
[…] Die Parteien und ihre Islampolitik – ein Überblick […]
23.09.21
19:16