Seit zwei Jahrzehnten werden die Einstellungen der Thüringer wissenschaftlich erhoben. Manche davon haben sich über den langen Zeitraum kaum verändert, andere wiederum stark.
Ein über zwei Jahrzehnte relativ konstanter Anteil der Thüringer Bevölkerung neigt zu rechten Einstellungen. Obwohl es zuletzt eine leicht sinkende Tendenz gegeben habe, zeigten die Befragungen zum Thüringen Monitor, «dass etwa ein Fünftel der Bevölkerung rechtsextreme Einstellungen hat», sagte die Jenaer Politikwissenschaftlerin Marion Reiser der Deutschen Presse-Agentur.
Der Thüringen Monitor, der sich mit den Einstellungen und Bewertungen der Menschen im Freistaat befasst, wird seit 20 Jahren im Auftrag der Landesregierung von Jenaer Wissenschaftlern erarbeitet. Das Jubiläum in diesem Jahr ist Anlass für ein wissenschaftliches Symposium am Donnerstag und Freitag in Jena.
Zwar gebe es bei der Messung der entsprechenden Einstellungen von Jahr zu Jahr kleinere Schwankungen, sagte Reiser. „Doch ist es eine zentrale Erkenntnis aus den vergangenen Jahren, dass Rechtsextremismus als stabiles Einstellungsmuster in Teilen der Gesellschaft vorhanden ist.“ Damit ließen sich zumindest teilweise auch die Thüringer Wahlergebnisse erklären.
Reiser ist Inhaberin des Lehrstuhls für das Politische System der Bundesrepublik Deutschland an der Schiller-Universität Jena. Seit einigen Jahren hat sie die wissenschaftliche Leitung beim Thüringen Monitor, der die politische Einstellung der Menschen vor allem zu den Themenkomplexen Demokratie, Rechtsextremismus und Antisemitismus misst und wissenschaftlich analysiert.
Die Erhebungen zeigten, dass die Zufriedenheit der Thüringer mit der Demokratie über die Jahre deutlich gestiegen sei. Gaben im 2001 veröffentlichten Monitor noch 48 Prozent der repräsentativ befragten Thüringer an, sie seien sehr oder ziemlich zufrieden damit, wie die Demokratie in Deutschland in der Praxis funktioniere, so waren es im vergangenen Jahr 68 Prozent der Befragten.
„Gleichzeitig gibt es aber in all den Jahren eine durchgängig hohe Politik- und Parteiverdrossenheit“, sagte die Wissenschaftlerin. Derartige Ambivalenzen fänden sich immer wieder in der soziologischen Langzeitstudie. Ein wichtiger Grund für die gestiegene Zufriedenheit mit der Demokratie sei, dass es vielen Menschen finanziell heute besser gehe als in der Vergangenheit, sagte Reiser. „Das ist ein klassisches Muster.“
Nach Ansicht von Reiser gibt es weiterhin einen großen Bedarf, die Studie fortzusetzen und die erhobenen Daten wissenschaftlich zu bewerten. Nicht zuletzt die rechtsextremen Anschläge in Hanau oder Halle hätten gezeigt, wie wichtig es sei, die politischen Einstellungen der Menschen zu messen – auch wenn die Ambivalenz der erhobenen Daten es schwierig mache, aus den entsprechenden Befunden einfache politische Handlungsempfehlungen zu formulieren.