Hessen

Anklage wegen „NSU 2.0“-Drohschreiben

Die Schreiben enthielten massiven Beleidigungen und Todesdrohungen gegen Menschen mit ausländischen Wurzeln. Nach seiner Festnahme im Mai soll der mutmaßliche Verfasser nun vor Gericht.

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2021
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Drohschreiben mit NSU 2.0 verschickt, Göttingen
Drohschreiben mit NSU 2.0 verschickt, Göttingen

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat im Zusammenhang mit den „NSU 2.0“-Drohschreiben Anklage erhoben. Dem 53 Jahre alten mutmaßlichen Verfasser wird unter anderem Beleidigung, Bedrohung und Volksverhetzung zur Last gelegt, wie die Behörde am Donnerstag mitteilte. Zuständig ist die Strafkammer des Landgerichts Frankfurt. Die Anklageschrift umfasst 120 Seiten. Der Mann wurde am 3. Mai in seiner Berliner Wohnung festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Er soll eine Serie von Drohschreiben verschickt haben, die mit „NSU 2.0“ unterzeichnet waren in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).

Der Angeschuldigte soll zwischen August 2018 und März 2021 insgesamt 116 selbst verfasste Drohschreiben verschickt haben – per E-Mail, Fax oder SMS. Dabei habe er regelmäßig die Grußformel «Heil Hitler» verwendet sowie sich selbst „SS-Obersturmbannführer“ genannt.

Empfänger waren Privatpersonen, Personen des öffentlichen Lebens sowie Behörden und Institutionen. Die Schreiben enthielten massive verbale Beleidigungen wie „Abfallprodukte“, „Volksschädling“ oder drastische Schimpfwörter gegen Menschen mit türkischen Wurzeln. Gedroht wurde unter anderem mit „Verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst“ oder damit, dass Familienangehörige „mit barbarischer sadistischer Härte abgeschlachtet“ würden.

Verfasser der Drohschreiben – Anklage in 67 Fällen 

Zur Verstärkung der Drohwirkung soll der Verfasser nicht frei zugängliche Daten der ausschließlich weiblichen Adressatinnen genannt haben. „Nach dem Ergebnis der Ermittlungen geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass er diese unter Einsatz einer Legende erlangt hat, indem er vorgab, Bediensteter einer Behörde zu sein“, hieß es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Der Verdacht, Polizeibeamte könnten an der Datenabfrage beteiligt gewesen sein, hat sich laut Staatsanwaltschaft nicht bestätigt.

Dem Mann werden in 67 Fällen folgende Vergehen zur Last gelegt: Beleidigung, versuchte Nötigung, Bedrohung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz.

Anwältin rechnet nicht mit voller Aufklärung

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sieht die Polizei entlastet. „Hessische Polizistinnen und Polizisten waren zu keinem Zeitpunkt Absender oder Tatbeteiligte der NSU-2.0-Drohmails-Serie“, teilte das Innenministerium mit. Die Anklage sei „eine wichtige Etappe eines rechtsstaatlichen Verfahrens“.

Die Anwältin Seda Başay-Yıldız hingegen sieht weiteren Aufklärungsbedarf – und ist skeptisch in ihren Erwartungen. «Nach wie vor ist nicht klar, wie beide Adressen, insbesondere wie die zweite gesperrte Adresse, die man nicht telefonisch erfragen kann, im Umlauf gekommen sind», sagte die Juristin. Sie war nach Erhalt der ersten Schreiben umgezogen, diese Adresse war in den Datenbanken der Polizei und anderer Behörden mit einem Sperrvermerk versehen.

„Zudem sind nach meiner Kenntnis in meinem Fall nicht nur persönliche Daten wie Adresse abgefragt worden, sondern es erfolgten auch gezielte Abfragen in polizeilichen Datenbanken nach Verurteilungen beziehungsweise Ermittlungsverfahren gegen mich.“ Dies sei telefonisch nicht möglich. Die These der Staatsanwaltschaft halte sie nicht für schlüssig, sagte Başay-Yıldız. „Ich rechne jedenfalls nicht mehr mit der vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes.“ (dpa, iQ)