Fernsehen

WDR entscheidet sich gegen Zusammenarbeit mit El-Hassan

Der WDR hat nach wochenlanger Prüfung über eine mögliche Zusammenarbeit mit der Journalistin Nemi El-Hassan entschieden. Die Debatte über den gesamten Fall ist wohl damit noch längst nicht abgeschlossen.

03
11
2021
Nemi El-Hassan © Tilman Schenk / WDR, bearbeitet by iQ.
Nemi El-Hassan © Tilman Schenk / WDR, bearbeitet by iQ.

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hat sich endgültig gegen eine Zusammenarbeit mit der Journalistin Nemi El-Hassan entschieden. Das teilte der öffentlich-rechtliche Sender in Köln am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur mit. Zuvor hatte die Journalistin einen Gastbeitrag in der „Berliner Zeitung“ veröffentlicht, in dem sie Kritik am WDR zum Umgang mit ihr in den vergangenen Wochen äußerte. Vom Sender hieß es als Begründung für seine Entscheidung: „Das Vertrauen für eine künftige Zusammenarbeit ist nicht mehr vorhanden.“

Der ganze Fall rund um die Beschäftigung El-Hassans hängt mit aufgekommenen Antisemitismus-Vorwürfen zusammen. Ursprünglich sollte die Journalistin die Wissenschaftssendung „Quarks“ moderieren. Ihr Start war für November vorgesehen. Die „Bild“-Zeitung hatte dann im Kontext der neuen Aufgabe El-Hassans von ihrer Teilnahme an einer Al-Kuds-Demo in Berlin vor einigen Jahren berichtet. El-Hassan hatte sich nach dem Medienbericht in einem Statement von der Demo distanziert. Außerdem wird ihr vorgeworfen, israelkritische Posts im Netz gelikt zu haben. In einem Fall ging es dabei um den Ausbruch von Terroristen aus einem israelischen Hochsicherheitsgefängnis.

Der WDR hatte sich im weiteren Verlauf der Debatte gegen eine Moderation El-Hassans in der Wissenschaftssendung entschieden. Als Begründung hieß es vom Sender, „dass die Auseinandersetzung um ihre Person zu einer unangebrachten Politisierung der renommierten Wissenschaftssendung geführt hat“. Die ARD-Anstalt hatte dann zunächst weiter geprüft, ob sie möglicherweise als Autorin für „Quarks“ arbeiten könnte.

El-Hassan kritisiert „Bild“-Bericht: „Kampagne zur Demontage einer Person“

Am Dienstag hatte El-Hassan in dem Gastbeitrag in der „Berliner Zeitung“ dem WDR im Zuge der von dem „Bild“-Bericht angestoßenen Debatte vorgeworfen, er habe sich selbst aus der Schusslinie ziehen wollen. „Die Reaktion des WDR zeigt exemplarisch, dass es schlecht steht um die vielfach gerühmte Debattenkultur in diesem Land“, kritisierte El-Hassan.

Die Journalistin sprach in dem Gastbeitrag auch von einer gezielten Kampagne. Der „Bild“-Zeitung warf sie vor, sie demontieren zu wollen. „Natürlich darf auch die Bild-Zeitung zur Vergangenheit einer öffentlichen Person recherchieren und Fragen stellen“, schrieb El-Hassan. „Aber es gibt eine Grenze zwischen kritischer journalistischer Arbeit und einer gezielten Kampagne zur Demontage einer Person.“

Die Kampagne gegen sie sei in rechten Foren von langer Hand vorbereitet worden. Dort verfolge man das Ziel, möglichst viele Menschen muslimischen Glaubens aus der Öffentlichkeit hinauszudrängen. Antisemitismusvorwürfe würden dazu gezielt eingesetzt, weil sie besonders wirksam seien, um jemanden auf Dauer unmöglich zu machen. Dabei gehe es den Rechtsextremen natürlich nicht um den Schutz jüdischen Lebens, vielmehr sei der Antisemitismus-Vorwurf nur Mittel zum Zweck. Denn: „Im Land der Täter will sich – verständlicherweise – niemand in eine Situation begeben, die nahelegen könnte, dass man sich nicht vehement an der Bekämpfung des gesamtgesellschaftlichen Problems Antisemitismus beteiligt.“

WDR kommentiert Vorwürfe als „unsinnig“

Der öffentlich-rechtliche Sender reagierte am Abend auf den Gastbeitrag so: Der Vorwurf, dass der WDR die Moderatoren-Auswahl von einer „Bild“-Kampagne abhängig mache, sei unsinnig. „Unabhängig von der medialen Berichterstattung und dem öffentlichen Druck im Fall Nemi El-Hassan hat der WDR sorgfältig und umfangreich beraten, weil die Verantwortlichen den beruflichen Weg der jungen Journalistin nicht leichtfertig behindern, sondern ihr eine Chance geben wollten.“

Weiter hieß es, ausschlaggebend sei ihr Verhalten in den sozialen Netzwerken und der Umgang damit gegenüber dem WDR. „Relevante Informationen – wie zum Beispiel das Löschen von Likes – erfuhr der WDR erst aus den Medien, obwohl er mit Nemi El-Hassan im intensiven Austausch war. Dies hatte von Beginn an das Vertrauensverhältnis belastet.“

Debatte im WDR-Rundfunkbeirat über El-Hassan

Der Fall El-Hassans war in den beiden vergangenen Sitzungen des Rundfunkrats als Aufsichtsgremium beim WDR debattiert worden. In der ersten Diskussion Ende September hatten sich zahlreiche Rundfunkratsmitglieder zu Wort gemeldet und ganz überwiegend gegen eine Beschäftigung von El-Hassan beim WDR in welcher Form auch immer ausgesprochen. In der zweiten Sitzung vor einigen Tagen gingen die geäußerten Meinungen stärker auseinander. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Vera sagt:
Die agile Journalistenfrau sollte nun den WDR in Ruhe lassen und sich nicht weiterhin öffentlich mit kritischen Statements in den Medien zum Thema machen wollen. Die quirlige Aktivistin kann sich bestimmt anderweitig journalistisch betätigen und einbringen. Der WDR und andere öffentlich-rechtliche Sender haben das Recht und die Pflicht, Motivation und Weltbild ihrer Möchte-gern-Moderatoren (m/w/d) zu hinterfragen und "abzuklopfen". Und selbstverständlich kann und darf nicht jede Person moderierend auftreten - mit Anstellungsvertrag, auch wenn diese es unbedingt durchsetzen möchte und dabei viele Hebel in Bewegung setzt. Und das ist gut so.
06.11.21
5:09
Johannes Disch sagt:
Dass es die "BILD" braucht, damit der WDR aufwacht, das ist ein Armutszeugnis, zeigt es doch, wie schlampig der WDR recherchiert, wenn es um Personal geht. Jeder Pförtner wird vorher sorgfältiger gecheckt als es bei Nemi El-Hassan passiert ist. Dann die Peinlichkeit, Statements von AVI Primor und anderen heranzuziehen. Nicht Avi Primor oder der Zentralrat der Juden hat eine solche Entscheidung zu treffen, sondern der WDR. Er hat es endlich getan. Die Entscheidung war richtig. Die Art ihres Zustandekommens ist für den WDR allerdings blamabel.
07.11.21
11:33