Corona hat dafür gesorgt, dass sich rechtsextreme Straftaten ins Internet verlagert haben. Das zeigt der Lagebericht für das Saarland. Innenminister und Verfassungsschutz ziehen daraus Konsequenzen.
Das saarländische Innenministerium beobachtet seit den Corona-Lockdowns im vergangenen Jahr eine Verlagerung des Rechtsextremismus ins Internet: „Die Aktivitäten nach außen sind weniger geworden, aber die im Netz haben sich verstärkt“, sagte Innenminister Klaus Bouillon (CDU) am Freitag. „Die sogenannte Meinungsfreiheit wurde dafür genutzt, den Staat, die Institutionen und viele Repräsentanten in verächtlicher Art und Weise zu diffamieren und sich insgesamt gegen unsere Demokratie zu wenden“, sagte Bouillon. Zu Hassmeldungen und Intrigantentum seien Morddrohungen gegen Bürgermeister gekommen.
„Aus unserer Sicht ist eine Grenze überschritten, so dass angemessene Gegenmaßnahmen einer wehrhaften Demokratie erforderlich sind“, so der Minister; etwa durch personelle Aufstockung. „Wir brauchen neue Spezialisten für völlig neue Arbeitsfelder“, betonte Bouillon. Dies wolle er auch Anfang Dezember bei der Innenministerkonferenz zum Thema machen.
Gemeinsam mit dem neuen Chef des Verfassungsschutzes, Ulrich Pohl, stellte der Minister das „Lagebild Verfassungsschutz 2020“ vor. „Die größte Gefahr für die Demokratie droht uns von rechts“, unterstrich Ulrich Pohl. Nach einer ersten Bestandsaufnahme sei er nun dabei, die Schwerpunkte für die nächsten Jahre festzulegen. „Und zu wissen, was im Internet passiert, wird einer der Schwerpunkte sein.“
Extremisten wichen auf Messenger-Dienste und Chatrooms aus, „wo sie unreguliert, ungehindert und auch ungeniert ihre verfassungsfeindlichen Botschaften verbreiten können“. Dies sei eine enorme Gefahr und sorge für Radikalisierungsprozesse. Im Ergebnis handle es sich dabei jedoch um ein „Massenproblem, und wir werden nie genug Personal haben, um dem Herr zu werden“.
Dem „Lagebild Verfassungsschutz“ zufolge wurden im vergangenen Jahr 249 rechtsextremistisch motivierte Straftaten erfasst. Damit war die Zahl zwar leicht rückläufig. 260 waren es Jahr 2019. Sie blieb aber „auf einem hohen Niveau“. Der Anteil der Gewalttaten wuchs von 11 auf 13, darunter auch ein versuchter Mord. Laut dem Bericht gibt es 330 „erkannte und vermutete“ Rechtsextremisten im Saarland – ebenso viele wie im Vorjahr. 20 von ihnen werden unverändert als gewaltorientiert eingestuft. Auch die Zahl der Reichsbürger sei mit 140 gleichgeblieben.
Laut Pohl ist die Möglichkeit von dschihadistischen Gewalttaten „anhaltend hoch“ in Deutschland. Gerade im abgeschotteten Bereich des Internets habe auch der Islamische Staat «als wieder gefestigte Untergrundorganisation» Einfluss auf die Sicherheitslage im Land. (dpa, iQ)