In Raunheim dürfen Moscheen künftig öffentlich zum Freitagsgebet rufen. Ein entsprechender Antrag zum Gebetsruf wurde einstimmig beschlossen.
Wer im hessischen Raunheim unterwegs ist, könnte bald an Freitagen mancherorts den Gebetsruf vernehmen. Moscheegemeinden können nun ihre Mitglieder zum mittäglichen Freitagsgebet rufen. Ein entsprechender Antrag des Türkischen Kultur- und Bildungsvereins Raunheim e.V. und dem marokkanischen Freundschaftskreis Raunheim wurde am Freitag in der Stadtverordnetenversammlung fast einstimmig beschlossen (24:1 Stimmen).
In Raunheim haben knapp 12.000 Menschen der insgesamt 17.073 Einwohner einen Migrationshintergrund. Künftig dürfen die zwei Moscheen in den Sommermonaten um 14.30 Uhr und in den Wintermonaten um 12.30 Uhr zum Gebet rufen. Außerdem soll der Gebetsruf während des Ramadans einmal täglich ertönen. Allerdings werde die Lautstärke abhängig von der Lage der Moschee mit einer Höchstgrenze festgelegt.
Der Bürgermeister der Stadt Raunheim Thomas Jühe begrüßt die Entscheidung. „Wir möchten eigentlich, dass alle Glieder dieser Stadtgesellschaft auch die Möglichkeit haben, sich hier tatsächlich gleichberechtigt auch in Glaubensfragen bewegen zu können“, wird Jühe im SAT.1 Regionalmagazin zitiert. Raunheim stehe für Pluralität und Internationalität. Dies werde „Gott sei Dank“ immer mehr zum Normalfall.
Auch der Vorsitzende des Islamrats Hessen, Ibrahim Gülsever, begrüßt den neuen Beschluss der Stadt. „Der Gebetsruf ist Teil des muslimisch-religiösen Lebens. Es ist selbstverständlich, dass sie in einer vielfältigen Gesellschaft gehört und gesehen wird“, erklärt Gülsever auf Anfrage von IslamiQ. Der neue Beschluss sei „eine wichtige, wenn verspätete“ Entscheidung. Gülsever hoffe, dass der öffentliche Gebetsruf von der Mehrheitsgesellschaft als gelebte Normalität wahrgenommen werde.
Dass Muslime während der Corona-Pandemie den Gebetsruf als Zeichen der Solidarität öffentlich ausrufen konnten, war für Gülsever „ein wichtiger Faktor“ bei der aktuellen Entscheidung der Stadtverwaltung.
Seit Anfang Oktober können Moscheen in Köln im Rahmen eines zweijährigen Modellprojekts den öffentlichen Gebetsruf bei der Stadt beantragen. Der Gebetsruf darf dabei nur an Freitagen für maximal fünf Minuten erklingen; die Lautstärke muss reguliert sein, und die Nachbarschaft ist vorab zu informieren. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) begründete das Projekt mit dem Recht auf freie Religionsausübung und sprach von einem Zeichen gegenseitiger Akzeptanz: „Wenn wir in unserer Stadt neben dem Kirchengeläut auch den Ruf des Muezzins hören, zeigt das, dass in Köln Vielfalt geschätzt und gelebt wird“. (KNA, iQ)