Studie

Opfer von Rassismus setzen sich nicht zu Wehr

Täglich werden rassistisch motivierte Gewalttaten verübt. Einer Studie zufolge beschweren sich die meisten Betroffenen in solchen Situationen offenbar nicht.

04
12
2021
Symbolbild: Rassismus © Shutterstock, bearbeitet by iQ
Symbolbild: Rassismus © Shutterstock, bearbeitet by iQ

Wenn niemand zur Unterstützung bereit steht, scheuen von rassistischer Diskriminierung Betroffene häufig die direkte Konfrontation. Das geht aus einer Sonderauswertung von Daten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durch das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM-Institut) hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Anwesenheit „solidarischer Dritter“ habe dagegen einen positiven Effekt auf die Bereitschaft der Diskriminierten, strategische Gegenmaßnahmen gegen den Verursacher oder die Verursacherin zu ergreifen.

Der Analyse zufolge gaben knapp 47 Prozent der Betroffenen an, in der Situation sofort aktiv geworden zu sein. In knapp 42 Prozent der 2528 betrachteten Fälle wurde eine direkte Konfrontation vermieden. Allerdings wiesen die Forscher darauf hin, dass nicht in jeder Situation eine direkte Reaktion möglich ist – etwa wenn der Verursacher in dem Moment, in dem der Betroffene von der Diskriminierung erfährt, nicht anwesend sei oder wenn (weiterer) körperlicher Schaden drohe. Ein geringer Teil der Befragten machte keine Angaben.

Ein Großteil der Menschen, die von einer rassistischen Diskriminierung berichteten, gab an, im Nachgang nichts mehr in Bezug auf das Geschehene unternommen zu haben. Nur knapp ein Viertel von ihnen habe den Vorfall bei einer zuständigen Stelle gemeldet, öffentlich auf die Diskriminierung aufmerksam gemacht oder Klage eingereicht. Knapp 20 Prozent der Betroffenen versuchten demnach, der Person, die sie diskriminiert hatte, aus dem Weg zu gehen oder den Ort, an dem die Diskriminierung passiert war, zu meiden.

Solche Ausweich- und Schutzstrategien kommen laut Analyse vor allem in Lebensbereichen zum Tragen, wo langanhaltende Beziehungen zwischen dem Verursacher und dem Betroffenen bestehen, wie etwa in Bildungseinrichtungen, im Arbeitsleben oder im Gesundheitswesen.

Betroffene entscheiden sich gegen Maßnahmen

Problematisch ist aus Sicht der Autoren der Studie, dass sich Betroffene rassistischer Diskriminierung bei Ämtern und Behörden häufig gegen strategische Gegenmaßnahmen entschieden. Eine mögliche Erklärung wäre ihrer Ansicht nach, „dass die Betroffenen in Ämtern und Behörden rassistische Handlungsweisen über institutionalisierte, arbeitskulturelle Praktiken wahrnehmen und daher aus der Institution heraus keine Ermutigung und Bestärkung erfahren, gegen rassistische Diskriminierung vorzugehen“.

Alarmierend hoch sei auch die Wahrscheinlichkeit, dass nach Gegenmaßnahmen negative Konsequenzen zu erwarten seien. Das kann der Unmut der Verursacher sein, womöglich verstärkt durch diejenigen, die sich mit ihm verbünden. Zudem könne dem Betroffenen das Stigma des Problemverursachers anhaften. Im Lebensbereich Bildung sei diese Wahrscheinlichkeit mit 30 Prozent relativ hoch, ebenso wie im Arbeitsleben (28 Prozent). Im Bereich Waren und Dienstleistung sei sie deutlich niedriger (15 Prozent). (dpa, iQ)

Leserkommentare

Vera sagt:
Das ist eine interessante Studie über Rassismus-Opfer vom Deutschen Zentrum für Migrations- und Integrationsforschung DeZIM e.V. in Berlin-Mitte. Andere aktuell veröffentlichte DeZIM-Forschungsprojekte sollten hier aber auch präsentiert werden, wie z.B. "Geschlechterbilder von Jugendlichen mit Migrationsgeschichte" oder "Wie blicken Jugendliche mit Migrationsgeschichte auf Homosexualität?" "Homophobe Gewalt von Einwanderern" thematisierte das 'Cicero'-Magazin für Politische Kultur zuletzt am 12.06.2021 mit der Headline "Hetzjagd auf Schwule" und schrieb: "In einigen Bezirken von Berlin mehren sich Angriffe auf Homosexuelle. Die Angreifer sind meist Migranten. Grund dafür ist auch die Flüchtlingswelle 2015." Ein dpa-Ermittlerfoto wird mit folgender Beschreibung gezeigt: "Ein syrischer Flüchtling attackiert zwei schwule Touristen, einer der beiden stirbt an seinen Verletzungen." Die freie Autorin Sara Rukaj berichtet von "den ebenso tabuisierten wie organisierten Hetzjagden junger Männer muslimischen Glaubens" und "körperlicher Gewalt gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transpersonen" und "einen Anstieg homophober Gewalt." Sie schreibt u.a.: "Mehr als ein Übergriff pro Tag allein in Berlin...wobei die Dunkelziffer weit besorgniserregender ausfallen dürfte. Nach Einschätzung von Maneo (Anti-Gewalt-Projekt) besteht die übergroße Mehrheit der Täter aus jungen Männern mit arabisch-türkischem Migrationshintergrund oder solchen, die sich in islamisch gefärbten Milieus bewegen.Die Gefahr, einem homophoben Angriff ausgesetzt zu sein, ist in Berlin-Neukölln und anderen migrantischen 'Brennpunktvierteln' um ein Vielfaches höher als in Vierteln wie Charlottenburg oder im Prenzlauer Berg. In anderen europäischen Großstädten mit größeren islamischen Communities wie Paris, Brüssel, Malmö oder London zeichnen die Fallzahlen eine ähnliche Entwicklung nach. Gefährdet sind dabei nicht nur Schwule, sondern in puncto sexueller Gewalt auch Frauen, aber auch Juden, die sich etwa durch das Tragen einer Kippa im öffentlichen Raum als solche zu erkennen geben." Da kann man wahrlich auf den Gedanken kommen, der Islam hat nichts Gutes vor. Die Betroffenen und Opfer müssen sich dagegen besser zur Wehr setzen, sich ganz massiv beschweren und aktiv werden. Und das ist letztlich aber auch eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft.
05.12.21
3:30