Islamische Begriffe werden oft missbraucht und verlieren dadurch ihre eigentliche Bedeutung. Im IslamiQ Glossar geht es um die ursprüngliche Bedeutung der Wörter. Heute: Dschihad.
Das Wort „Dschihad“ stammt etymologisch aus dem Wortstamm „Dschahd“ oder „Dschuhd“ mit der Bedeutung von „Bemühung“, „Anstrengung“, „sich ganz anstrengen, um das höchste Ziel zu erreichen oder „das Mögliche und Verfügbare tun“. Aus derselben Wortwurzel kommt das Wort „Idschtihâd“, das ein intellektuelles Bemühen bezeichnet, um auf der Grundlage von Koran und Sunna zu einem Urteil zu gelangen.
Aus dem vierstämmigen Verb „dschâhada“ mit der Bedeutung von „sich ganz anstrengen“, „streben“, „bekämpfen“ oder „das Äußerste tun“ leitet sich das Wort „Dschihad“ ab. Vom selben Verb kommt auch die Bezeichnung „mudschâhadatu-nafs“, was die Anstrengung bei der Reinigung des Egos bzw. der Triebe meint.
Wenn sich der Dschihad auf das eigene Innere bezieht, wird er als großer Dschihad bezeichnet. Wenn er nach außen gerichtet ist, spricht man vom kleinen. Das Wort „Dschihad“ bezeichnet allgemein die Bemühung bei der Bekämpfung allen Übels und Unrechts. Dies beginnt zunächst mit der Anstrengung bei der Bekämpfung der eigenen Triebe, geht über zur Bekämpfung von Ungerechtigkeit innerhalb der eigenen Gesellschaft und weiter bis zum Kampf gegen „äußeren Feinde“.
Mit „Dschihad“ ist in erster Linie eine gewaltfreie Auseinandersetzung gemeint. Er umfasst ebenso einen Kampf, der unter Umständen auch bewaffnet sein kann. Jedoch wird der bewaffnete Kampf im Arabischen als „Kitâl“ bezeichnet. Damit ist im islamischen Kontext die letzte Stufe des Dschihad gemeint, nämlich der Kampf zwischen zwei Gruppen. Oft werden beide Bezeichnungen undifferenziert als Synonyme verwendet. Dabei ist der Dschihad viel umfassender und umfangreicher als Kitâl.
Es ist sehr wichtig, zwischen Kitâl (Kampf, Bekämpfung) und Katl (Töten) zu unterscheiden, „denn vielleicht ist es gerechtfertigt, mit jemandem zu kämpfen (kâtala) aber nicht gerechtfertigt, jemanden zu töten (katala)“. Dieser bewaffnete Kampf umfasst die legitime Verteidigung gegen Bedrohungen und Angriffe, die gegen die Würde des Menschen, die Religion, die Familie und das eigene Land gerichtet sind.
Im öffentlichen Diskurs wird der Begriff oft -fälschlicherweise – als „Heiliger Krieg“ gegen Nichtmuslime wahrgenommen. Im Mediendiskurs wird das „Dschihad“-Verständnis terroristischer Gruppen wie dem „IS“ als der Dschihad im Islam standardisiert. So wird der Begriff letztendlich unzutreffend auf einen bedingungslosen Krieg reduziert, was im Widerspruch zu seiner eigentlichen Bedeutung steht. Damit wird ein Kernbegriff muslimischen Lebens, der im Übrigen ein großes Potenzial für das gesellschaftliche Engagement von Muslimen in sich trägt, in seinem Wesen verzerrt.
Literatur
Hans Wehr, Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart: Arabisch-Deutsch. 5., neu bearb. u. erw. Aufl., Harrassowitz Verlag, 1985
Mahmoud Haggag, Begriffsbestimmung im Kulturdialog, In: Transkulturalität im europäisch-islamischen Dialog. Hg. Jörg Roche, Jörg Wormer. Berlin, LIT, 2007. S. 295-316
Mohammed Saif, „Islam“ im öffentlichen Diskurs: Zur sprachlichen Konstituierung einer Religion, Dissertation, Universität Mannheim, 2018