Erstmals in der Geschichte des deutschen Profi-Fußballs wird ein Spiel nach einem rassistischen Vorfall abgebrochen. Das sorgt für Aufregung und wirft viele juristische Fragen auf.
Entsetzen über die Hetze, Verständnis für den Spielabbruch, Lob für die Reaktion vieler Fans – die skandalösen Vorkommnisse von Duisburg haben den Sport erneut ins Zentrum der Rassismus-Debatte gerückt. Der erste Spielabbruch in der Geschichte des deutschen Profi-Fußballs wegen eines rassistischen Vorfalls sorgte für ein starkes Echo – auch über den Fußball hinaus. „Probleme wie Ausgrenzung und Diskriminierung im Sport gehören ins Zentrum der öffentlichen Debatte. Wir haben hier noch reichlich Nachholbedarf“, kommentierte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Montag.
Die Entscheidung, die Drittliga-Partie am Sonntag in Duisburg nach der Beleidigung eines 55 Jahre alten Zuschauers gegen den Osnabrücker Profi Aaron Opoku abzubrechen, stieß auf große Zustimmung. „Indem man sowas macht, zeigt man: Mit uns geht das nicht mehr. Wir haben die Schnauze voll von euch Vollidioten“, sagte der DFB-Botschafter und frühere Nationalspieler Jimmy Hartwig im NDR-Fernsehen. Überrascht war der 67-Jährige nicht: „Ich habe schon viel früher damit gerechnet, dass mal ein Spiel abgebrochen wird. Schauen wir mal, wie lange es dauert, bis ein Bundesliga-Spiel abgebrochen wird.“
Ähnliche Reaktionen wie von Hartwig gab es auch aus der Politik. So sprach die neue Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Reem Alabali-Radovan (SPD) von einer „konsequent richtige Entscheidung“: „Im Fußball gilt wie überall sonst in unserer Gesellschaft: Kein Platz für Rassismus! Klare Verstöße brauchen klare Kante.“ Nicht minder deutlich äußerte sich Wüst: „Wenn Menschen in ihrer Würde verletzt werden, kann man nicht einfach wieder anpfeifen. Aaron Opoku hat unsere volle Solidarität.“
Lobende Worte fand der CDU-Politiker auch für die Reaktion von einigen der gut 7000 Fans im Duisburger Stadion, die nach dem Vorfall „Nazis Raus“ skandiert und zu Identifizierung des Beschuldigten beigetragen hatten: „Die Reaktion der großen Mehrheit der Fans im Stadion und der Abbruch des Spiels waren starke Signale gegen Rassismus.“ Das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium würdigte die Reaktionen als „vorbildhaft“. „Das ist etwas, was wir uns in deutschen Fußballstadien wünschen“, kommentierte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin.
Die Solidarität der Fans dürfte Opoku ein wenig Trost gespendet haben. „Ich fand es super und überragend von beiden Fanlagern, was sie gerufen haben und wie sie sich solidarisiert haben“, sagte VfL-Sportdirektor Amir Shapourzadeh am Montag in einem Video-Interview der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Nach dem Spiel hätten Osnabrücker Fans vor der Mannschaft eine Ansprache gehalten und Opoku Unterstützung zugesprochen. „Sie haben gesagt, dass sie voll und ganz hinter ihm stehen und so etwas bei uns nie dulden würden, wenn irgendwas in diese Richtung passiert“, sagte der Sportdirektor.
Nach Angaben der Duisburger Polizei dauern die Ermittlungen an. „Der Beschuldigte hat sich geäußert. Darüber hinaus werden Videos gesichtet und weitere Zeugen befragt“, sagte eine Polizeisprecherin. Dabei soll geprüft werden, ob es – wie vom Schiedsrichter angegeben – auch Affenlaute gegeben hat. Die Polizei hatte umgehend Anzeige erstattet. Eine Beleidigung kann eine Geldstrafe oder eine Haftstrafe bis zu einem Jahr nach sich ziehen.
Der Abbruch der Partie hat auch sportjuristische Konsequenzen. Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes könnte drei verschiedene Urteile fällen. Abhängig von den genauen Umständen kann das Spiel sowohl für Osnabrück als auch für Duisburg gewertet werden. Die dritte mögliche Variante ist eine Neuansetzung. „Wir werden die Ermittlungen abwarten. Es steht uns nicht zu, irgendetwas einzufordern“, sagte MSV-Sprecher Martin Haltermann.
Vertreter beider Vereine hatten sich bereits unmittelbar nach dem Abbruch des Spiels für eine Neuansetzung ausgesprochen. „Es geht hier nicht ansatzweise um den MSV Duisburg und den VfL Osnabrück, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das im Fußball seinen Widerhall findet. Wir haben gemeinsam mit den Kollegen des MSV besprochen, dass es uns am liebsten wäre, wenn wir zu einem Wiederholungsspiel antreten und dieses Spiel dazu nutzen, ein klares Zeichen gegen Rassismus in jeder Form zu setzen“, sagte VfL-Geschäftsführer Michael Welling. (dpa/iQ)