Duisburg

Nach Abbruch: Neue Rassismus-Debatte im Fußball

Erstmals in der Geschichte des deutschen Profi-Fußballs wird ein Spiel nach einem rassistischen Vorfall abgebrochen. Das sorgt für Aufregung und wirft viele juristische Fragen auf.

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Fußball begeistert groß und klein auf der ganzen Welt. © by Awaya Legends auf Flickr (CC BY-SA 2.0), bearbeitet islamiQ

Entsetzen über die Hetze, Verständnis für den Spielabbruch, Lob für die Reaktion vieler Fans – die skandalösen Vorkommnisse von Duisburg haben den Sport erneut ins Zentrum der Rassismus-Debatte gerückt. Der erste Spielabbruch in der Geschichte des deutschen Profi-Fußballs wegen eines rassistischen Vorfalls sorgte für ein starkes Echo – auch über den Fußball hinaus. „Probleme wie Ausgrenzung und Diskriminierung im Sport gehören ins Zentrum der öffentlichen Debatte. Wir haben hier noch reichlich Nachholbedarf“, kommentierte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Montag.

„Mit uns geht das nicht mehr“

Die Entscheidung, die Drittliga-Partie am Sonntag in Duisburg nach der Beleidigung eines 55 Jahre alten Zuschauers gegen den Osnabrücker Profi Aaron Opoku abzubrechen, stieß auf große Zustimmung. „Indem man sowas macht, zeigt man: Mit uns geht das nicht mehr. Wir haben die Schnauze voll von euch Vollidioten“, sagte der DFB-Botschafter und frühere Nationalspieler Jimmy Hartwig im NDR-Fernsehen. Überrascht war der 67-Jährige nicht: „Ich habe schon viel früher damit gerechnet, dass mal ein Spiel abgebrochen wird. Schauen wir mal, wie lange es dauert, bis ein Bundesliga-Spiel abgebrochen wird.“

Ähnliche Reaktionen wie von Hartwig gab es auch aus der Politik. So sprach die neue Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Reem Alabali-Radovan (SPD) von einer „konsequent richtige Entscheidung“: „Im Fußball gilt wie überall sonst in unserer Gesellschaft: Kein Platz für Rassismus! Klare Verstöße brauchen klare Kante.“ Nicht minder deutlich äußerte sich Wüst: „Wenn Menschen in ihrer Würde verletzt werden, kann man nicht einfach wieder anpfeifen. Aaron Opoku hat unsere volle Solidarität.“

Fußball-Fans: „Nazis Raus“

Lobende Worte fand der CDU-Politiker auch für die Reaktion von einigen der gut 7000 Fans im Duisburger Stadion, die nach dem Vorfall „Nazis Raus“ skandiert und zu Identifizierung des Beschuldigten beigetragen hatten: „Die Reaktion der großen Mehrheit der Fans im Stadion und der Abbruch des Spiels waren starke Signale gegen Rassismus.“ Das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium würdigte die Reaktionen als „vorbildhaft“. „Das ist etwas, was wir uns in deutschen Fußballstadien wünschen“, kommentierte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin.

Die Solidarität der Fans dürfte Opoku ein wenig Trost gespendet haben. „Ich fand es super und überragend von beiden Fanlagern, was sie gerufen haben und wie sie sich solidarisiert haben“, sagte VfL-Sportdirektor Amir Shapourzadeh am Montag in einem Video-Interview der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Ermittlungen dauern an

Nach dem Spiel hätten Osnabrücker Fans vor der Mannschaft eine Ansprache gehalten und Opoku Unterstützung zugesprochen. „Sie haben gesagt, dass sie voll und ganz hinter ihm stehen und so etwas bei uns nie dulden würden, wenn irgendwas in diese Richtung passiert“, sagte der Sportdirektor.

Nach Angaben der Duisburger Polizei dauern die Ermittlungen an. „Der Beschuldigte hat sich geäußert. Darüber hinaus werden Videos gesichtet und weitere Zeugen befragt“, sagte eine Polizeisprecherin. Dabei soll geprüft werden, ob es – wie vom Schiedsrichter angegeben – auch Affenlaute gegeben hat. Die Polizei hatte umgehend Anzeige erstattet. Eine Beleidigung kann eine Geldstrafe oder eine Haftstrafe bis zu einem Jahr nach sich ziehen.

Abbruch hat sportjuristische Konsequenzen

Der Abbruch der Partie hat auch sportjuristische Konsequenzen. Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes könnte drei verschiedene Urteile fällen. Abhängig von den genauen Umständen kann das Spiel sowohl für Osnabrück als auch für Duisburg gewertet werden. Die dritte mögliche Variante ist eine Neuansetzung. „Wir werden die Ermittlungen abwarten. Es steht uns nicht zu, irgendetwas einzufordern“, sagte MSV-Sprecher Martin Haltermann.

Vertreter beider Vereine hatten sich bereits unmittelbar nach dem Abbruch des Spiels für eine Neuansetzung ausgesprochen. „Es geht hier nicht ansatzweise um den MSV Duisburg und den VfL Osnabrück, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das im Fußball seinen Widerhall findet. Wir haben gemeinsam mit den Kollegen des MSV besprochen, dass es uns am liebsten wäre, wenn wir zu einem Wiederholungsspiel antreten und dieses Spiel dazu nutzen, ein klares Zeichen gegen Rassismus in jeder Form zu setzen“, sagte VfL-Geschäftsführer Michael Welling. (dpa/iQ)

Leserkommentare

Vera sagt:
Für noch viel mehr und weltweite Aufregung und scharfe Kritik - mit weitreichenden Fragestellungen - sorgt aber seit Jahren die Profi-Fussball-Debatte um den konservativ muslimischen Golfstaat Katar. Das Land ist ein Emirat und wird als absolute Monarchie regiert. Der Islam ist Staatsreligion und die Scharia ist natürlich die Hauptquelle der Gesetzgung. Katars Behörden haben nun Spielzeug in Regenbogenfarben beschlagnahmt, weil es angeblich gegen die "islamischen Werte verstößt" und als "anti-islamisch" zu gelten hat. Das katarische Handelsministerium erklärte, dass bei "Inspektionskampagnen" in Geschäften Kinderspielzeug als Corpus Delicti gefunden worden sei, das auch gegen "islamische Werte" verstoßende "Slogans" trage. Bereits Antistress-Knautschbälle in Regenbogenfarben sind der strengen muslimischen Staatsmacht zuviel. Das Ministerium rief alle Bürger dazu auf, jegliche Waren zu melden, die "gegen die Traditionen verstoßende Logos oder Designs tragen". Bei Twitter kann man solches staatlich verordnete Gedankengut islamischer Tradition nachlesen. Menschenrechtsorganisationen werfen dem Land Diskriminierung sexueller Minderheiten vor. Für Entsetzen sorgte auch der heteronormativ agierende frühere Fussballstar Mohamed Aboutrika, der im führenden Sportsender der arabischsprachigen Welt 'BeIN Sports' hetzte: Homosexualität sei "nicht vereinbar mit dem Islam und widerspricht dem gesunden Menschenverstand". Ein weiterer internationaler Homophobie-Eklat islamischer Machart mehr. Aboutrika wird in seinem Heimatland wegen seiner Verbindungen zur homophoben Muslimbruderschaft auf einer Terrorliste geführt. Vergangenes Jahr rief ein in der Türkei ansässiger Sender dieser islamischen Organisation zur Ermordnung nicht-heterosexueller Menschen auf. Und das ist viel mehr als nur ein skandalöses Vorkommnis. Der umstrittene Katar-Staat befindet sich aktuell vermehrt in weltweiter Kritik, weil dort 2022 die Fussball-Weltmeisterschaft der Herren ausgetragen werden soll. Die Rufe nach einem Boykott der Fussball-Weltmeisterschaft im islamisch regierten Katar werden - aus nachvollziehbaren Gründen - immer lauter.
22.12.21
0:09
Dilaver Ç. sagt:
Homosexualität ist verboten. Und das ist auch gut so. @Redaktion Sie können mein Kommentar ruhig veröffentlichen, da ich mich vor möglichen Konsequenzen ohnehin nicht fürchte. Geben Sie meine Daten bitte an die Polizei weiter, falls jemand Strafanzeige erstattet.
24.12.21
23:34
symonstylos sagt:
In fast jedem diktatorisch geführten Staat ist Homosexualität verboten, egal welche Religion vorherrschend ist. Dies auf den Islam und die Scharia (übrigens welche und was ist damit gemeint?) zu reduzieren, entspricht nicht den Tatsachen. Das Homosexualität verboten ist, kann so pauschal nicht behauptet werden. Auch in der islamischen Theologie gibt es dazu unterschiedliche Positionen, bis dahin, dass es erlaubt ist. Warum das Verbot von Homosexualität gut sei, erschließt sich mir nicht. Welches ist das tertium comparationis,um ein solches Urteil zu fällen?
04.01.22
9:36