Wenn es um die Frage der Impfpflicht geht, ist sich nicht jeder einig. Politik und Religionsgemeinschaften wollen nicht mehr auf Freiwilligkeit setzen und sprechen sich für eine Impfpflicht aus.
Der Bundestag hatte am 10. Dezember eine Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken oder Pflegeheimen beschlossen. Um die Impfquote zu erhöhen, ist nun auch eine allgemeine Impfpflicht im Gespräch. Angesichts der Gefahr immer neuer Corona-Wellen hatte sich der Ethikrat in einer Empfehlung vor Weihnachten dafür ausgesprochen, die schon für Beschäftigte in Kliniken oder Pflegeheimen beschlossene Impfpflicht auf „wesentliche Teile der Bevölkerung“ auszuweiten.
Doch nicht alle Mitglieder teilen diese Meinung und warnen in einem FAZ-Beitrag vor einer vorschnellen Entscheidung. „Das Narrative, nur eine ‚allgemeine‘ Impfpflicht helfe aus aller Not, insbesondere aus den ‚Dauerschleifen‘ weiterer COVID-19-Bekämpfungsmaßnahmen, halten wir für falsch und kontraproduktiv“, erklärten vier Mitglieder des Ethikrats, darunter auch Jun.-Prof. Dr. Muna Tatari. Die aktuellen Ungewissheiten führten dazu, dass die ‚allgemeine Impfpflicht‘ nur ein bloßes Symbol eines politischen Aktionismus“ sein werde.
Die Debatte über eine Impfpflicht sorgt in der Bevölkerung für Kritik. Tausende Gegner von Corona-Maßnahmen und einer Impfpflicht sind auf der Straße und protestieren. Der Bundestag möchte über ein Gesetz voraussichtlich in diesem Jahr in freier Abstimmung ohne Fraktionsdisziplin entscheiden.
„Eine Impfpflicht verstößt bei Abwägung aller Umstände nicht gegen islamische Grundsätze. Wer sich impfen lässt, übernimmt Verantwortung für sich selbst und für die Allgemeinheit.“, erklärt Kemal Ergün, Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) in einer Pressemitteilung. Die Corona-Pandemie sei eine ernste Gefahr für das menschliche Leben. Am Virus seien weltweit bereits Millionen Menschen erkrankt und haben ihr Leben verloren.
„Angesichts dieser Bedrohungslage ist es unsere Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, das Leben zu schützen und Schaden abzuwenden, im Krankheitsfalle gilt der Hadith: ‚Lasst euch heilen!’“, so Ergün weiter. Vor diesem Hintergrund appelliere die Islamische Gemeinschaft an die Vernunft und ruft zum Impfen auf, sofern keine gesundheitlichen Gründe entgegenstehen. Das gebiete sowohl „die Verantwortung für das persönliche Wohl als auch für das der Allgemeinheit“, so Ergün abschließend.
Auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) drängt im Kampf gegen die Corona-Pandemie auf die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. „Ich spreche mich für eine solche Verpflichtung in Deutschland aus“, sagte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek. Impfen rette Leben, Impfen bedeute Solidarität, betonte Mazyek. Außerdem wies er darauf hin, dass die Impfquote unter muslimischen Bürgern leicht über dem allgemeinen Durchschnitt liege. In manchen Gemeinden seien es nach eigenen Erhebungen 90 Prozent und mehr.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland stellt sich hinter die Forderung nach einer allgemeinen Corona-Impfpflicht. Zugleich mahnte Präsident Josef Schuster am Montag ein entschiedenes Vorgehen gegen antisemitische oder gewalttätige Proteste an. „Impfgegner und Corona-Leugner radikalisieren sich in einem erschreckenden Ausmaß“, erklärte Schuster in Berlin. „Bei Einführung einer allgemeinen Impfpflicht sind noch stärkere Proteste und Gewalt nicht auszuschließen.“ Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung sei jedoch wichtiger. Der Zentralrat begründete die Unterstützung für die Impfpflicht auch religiös. Grundlage sei das biblische Gebot, das Leben zu schützen und körperliche Schäden abzuwenden. Ein Impfzwang könne daraus aber nicht abgeleitet werden. (dpa, iQ)