Eine Studie der Universität Siegen zeigt Benachteiligungen in der Bevölkerung gegenüber hypothetischen Hartz IV-Beziehern mit Migrationshintergrund. Ein Herr Yıldırım erhält höhere Leistungskürzungen als ein Herr Bergmann.
Vorbehalte in der Bevölkerung gegenüber Hartz IV-Beziehern mit Migrationshintergrund sind einer Umfrage zufolge offenbar stärker als gegenüber deutschen Langzeitarbeitslosen. Bei einer sogenannten Online-Vignettenstudie mit fiktiven Fallbeispielen, an der rund 2.600 Menschen teilnahmen, waren nicht nur fehlende Motivation und das Verpassen von Terminen ausschlaggebend für die Bewertung von Leistungskürzungen, wie die Universität Siegen am 5. Januar zu den Ergebnissen der Untersuchung mitteilte. Auch die vermutete Herkunft spielte eine Rolle. So fielen die fiktiven Sanktionen höher aus.
Für das Forschungsprojekt hatte das interdisziplinäre Siegener Wissenschaftsteam einen Online-Fragebogen zusammengestellt. Die Teilnehmer sollten fiktive Fälle mit einer für sie angemessenen Sanktionshöhe zwischen 0 und 100 Prozent belegen.
So kürzten die Befragten einem fiktiven Herrn Bergmann bei Regelverstößen mit 26 Prozent die Leistungen durchschnittlich weniger stark als einem Herrn Yıldırım mit einer Sanktionshöhe von 33 Prozent. In den wenigen Fällen, in denen Befragte die Leistungen von Beziehern komplett streichen wollten, waren die Hartz-IV-Bezieher ebenfalls häufiger Menschen mit Namen mit offenkundigem Migrationshintergrund, wie es hieß.
Der Befund zeige, dass es in der Bevölkerung auch diskriminierende Faktoren gebe, die das Verständnis von Hilfewürdigkeit und folglich auch von Sanktionen in der Grundsicherung beeinflussen, sagte Philipp Linden, Doktorand an der Universität Siegen: „Diese Erkenntnis verdient vor allem Aufmerksamkeit, weil wir zumindest nicht ausschließen können, dass Einstellungen, die Menschen mit Migrationshintergrund qua Status härter sanktionieren, auch unter den Fallmanagerinnen und -managern in Jobcentern zu finden sein können.“
Weitere Forschung solle hier ansetzen, sagte Linden. Er forderte vom Gesetzgeber, bei der geplanten Hartz-IV-Reform veränderte Rahmenbedingungen zu schaffen, „die nicht nur extreme Eingriffe in das Existenzminimum generell verhindern, sondern die auch die Leistungsbezieher vor Diskriminierung schützen: sei es nach Herkunft, Geschlecht oder Alter“.