Eigentlich fährt Dänemark eine knallharte Politik gegenüber Flüchtlingen – doch es gibt Ausnahmen: Harte Flüchtlingspolitik auf der einen, Willkommenspolitik für geflohene Ukrainer auf der anderen Seite.
Mehr als drei Wochen ist es her, dass Russland in die Ukraine einmarschierte und so einen Krieg begann, der bereits mehr als 3.1 Millionen Menschen in die Flucht getrieben hat. Die meisten bleiben in den Nachbarländern, vor allem in Polen. Doch einige reisen weiter, zum Beispiel nach Deutschland oder nach Dänemark . Dabei hat das Land mit die härteste Asylpolitik in der EU – besser: hatte, denn für die Ukrainer legt die Regierung eine beispiellose Kehrtwende hin.
Eigentlich gilt Abschreckung nach wie vor als oberste Maxime der dänischen Asylpolitik: Erst im Sommer verabschiedete das dänische Parlament ein Gesetz, das Asylzentren in Drittländer verlagern soll. Während der Bearbeitung ihrer Anträge müssen Bewerber dort warten und dürfen nicht nach Dänemark einreisen. Auch nach Genehmigung des Asylantrags soll das Ziel sein, dass die Migranten nicht nach Dänemark kommen. Es hagelte Kritik von der EU und den Vereinten Nationen. Schon jetzt werden Unterbringungszentren für Asylsuchende in Dänemark von Beobachtern mit Gefängnissen verglichen.
Bereits seit Jahren müssen Flüchtlinge hohen Anforderungen bei Sprache und Gesellschaftskenntnissen in Dänemark gerecht werden, Wertvolles wie Schmuck oder höhere Bargeldsummen bei der Ankunft abgeben. Begründet wird dieser Kurs mit dem hohen Integrationsaufwand für das kleine Land mit nur rund 5.8 Millionen Einwohnern. Immer wieder für Schlagzeilen sorgt das sogenannte Ghetto-Gesetz, nach dem in bestimmten Wohngegenden Sozialwohnungen abgerissen werden dürfen, wenn der Anteil von Menschen „nicht-westlicher“ Herkunft zu hoch ist und bestimmte sozioökonomische Kennwerte, zum Beispiel zu Arbeitslosigkeit und Kriminalität, überschritten werden. Im vergangenen Jahr wurde dieses Gesetz noch einmal verschärft.
Theoretisch zählt auch die Ukraine zu den „nicht-westlichen“ Ländern, die mit dem Ghetto-Gesetz in den Fokus gerückt sind. Doch die Praxis ist eine andere, so Rapp: „Die Unterscheidung ist eigentlich eher: Demokratisch und nicht-demokratisch oder, streng genommen, kulturelle Nähe und kulturelle Ferne, was man auch auf die Religion zurückführen kann.“
Vor allem der Islam scheint dabei eine Rolle zu spielen: Im Januar 2021 sagte Integrationsminister Tesfaye der Zeitung „Jyllands-Posten“: „Der Islam muss sich Dänemark anpassen.“ Dafür wolle er mit einer Reihe von Gesetzen sorgen.
Das dänische Innenministerium hingegen dementierte derartige Erklärungen gegenüber der Deutschen Welle: Die Unterscheidung zwischen „westlich“ und „nicht-westlich“ habe nichts mit dem politischen System, der Religion, Wirtschaft oder Kultur des betreffenden Landes zu tun, liess es offiziell verlauten.
Fakt sei jedoch: „Es gibt eine Bevorzugung von Menschen, die einem kulturell näher sind, mit denen man sich besser identifizieren kann. Auf der anderen Seite findet Diskriminierung von Menschen statt, mit denen es weniger kulturelle Gemeinsamkeiten gibt, und die Angst vor dem Verlust liberaler Werte grösser ist“, so die Politikwissenschaftlerin Rapp.
Das zeige sich im aktuellen Kurs der dänischen Regierung: Harte Flüchtlingspolitik auf der einen, Willkommenspolitik für geflohene Ukrainer auf der anderen Seite. „Dänemark möchte genauso handeln wie andere Länder und so viel helfen wie möglich. Und sich dabei aber nicht gegen die eigene Politik der letzten Jahre stellen.“ So komme es zur Sonderbehandlung ukrainischer Flüchtlinge, die von einer breiten Zustimmung in der Bevölkerung getragen wird.