Nach Kritik am Kopftuchverbot an ihren Einrichtungen inklusive einer Uni-Klinik macht eine katholische Klinik-Gruppe nun einen Kompromissvorschlag. Die Ruhr-Uni begrüßt diesen Vorschlag, Betroffene sehen das anders.
Der Streit um das umstrittene Kopftuchverbot an den Kliniken der St. Elisabeth Gruppe (SEG) geht in die nächste Runde. Nach Diskriminierungsvorwürfen und harscher Kritik der Studierenden der Ruhr-Universität Bochum (RUB) präsentierte die katholische Klinik-Gruppe mit Sitz in Herne am Donnerstag auf ihrer Internetseite einen Kompromissvorschlag.
„Frauen, die aufgrund ihres muslimischen Glaubens während der Arbeit auch Haare und Ohren bedecken möchten, können dies zukünftig in der St. Elisabeth Gruppe“, hieß es dort. Diese „besondere Kopfbedeckung“ werde „Teil der Dienstkleidung“, erklärte Klinik-Geschäftsführer Theo Freitag. Muslimischen Frauen werde „diese Kopfbedeckung zukünftig als Teil der Arbeitskleidung gestellt“.
Dazu veröffentlichte das Unternehmen zwei Bilder, die eine Frau sowohl im Profil als auch von vorn in medizinischer Arbeitskleidung mit einer weißen Haube zeigen. Die Haube bedeckt – ähnlich einer OP-Haube – Haare und Ohren, der nackte Hals ist indes zu sehen.
Im Ringen um eine Einigung hatte die Klinik-Gruppe eine Art Gutachten beim Leiter des Zentrums für Islamische Theologie in Münster, Professor Mouhanad Khorchide, in Auftrag gegeben. Dessen Fazit: „Der vorgeschlagene Entwurf verhüllt die Haare und die Ohren und erfüllt somit die Voraussetzungen, um aus islamisch-theologischer Perspektive als Kopftuch zu gelten.“ Er sehe in dem Entwurf «eine für kopftuchtragende muslimische Frauen würdigende und praktische Kompromisslösung“.
In einer ersten Reaktion auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur begrüßte das Uni-Rektorat, „dass die Elisabeth Gruppe hier eine Lösung in Aussicht stellt“. Der Entwurf sei von den Kliniken mit dem Islamwissenschaftler abgestimmt. „Wir gehen deshalb davon aus, dass dies eine praktikable Lösung für die betroffenen Frauen ist.“
Weniger begeistert äußerten sich die Betroffenen. Der Fachschaftsrat Medizin (FSR) begrüßte in einer ersten Reaktion die grundsätzliche Entscheidung der SEG, Mitarbeiterinnen künftig das Tragen eines Kopftuchs während der Dienstzeit zu erlauben. Gleichwohl sei man irritiert, dass der Entwurf weder mit Betroffenen noch mit dem FSR ausgearbeitet wurde. Der Entwurf „einer Haar- und Ohrenbedeckung“ habe „wenig damit zu tun, was sich die Studierenden unter einem Kopftuch vorstellen“, hieß es weiter. „Aus unserer Sicht würde ein übliches rechteckiges Tuch aus einem elastischen Stoff, welches sich Mitarbeiterinnen selbst zurechtbinden und ins Kasack stecken können, absolut ausreichen“, sagte FSR-Sprecher Emre Yavuz. Eine muslimische Studentin fragte pikiert: „Soll das ein Witz sein?“
Nach eigenem Bekunden arbeitet die St. Elisabeth Gruppe, die Frauen das Tragen von Kopftüchern bislang untersagte, seit längerem an einer Lösung, „die sowohl die gebotene religiöse Neutralität der Mitarbeiter gegenüber den Patienten als auch die privaten religiösen Interessen und Ausdrucksformen muslimischer Frauen respektiert“.
Eine neue Dynamik hatte der schon Monate währende Streit bekommen, als Medizin-Studierende sich in einem Brief bei den Klinik-Chefärzten über mehrere Fälle von Diskriminierung und das Kopftuchverbot an den Häusern der SEG beschwerten, zu der auch das Marien-Hospital in Herne als Uni-Klinik gehört.
Neben dem Medizin-Dekanat um Professorin Andrea Tannapfel hatte sich zuletzt auch das Uni-Rektorat klar hinter die Studierenden gestellt und sich in der Kopftuchfrage „ausdrücklich“ von der Haltung der Klinik-Gruppe distanziert. „Die RUB ist bestrebt, Diskriminierung zu reduzieren und nach Möglichkeit zu verhindern – sowohl im Verhalten der Studierenden und Bediensteten als auch in der Kommunikation in Forschung und Lehre; sie erwartet dies auch von den mit der Universität durch Kooperationsverträge verbundenen Institutionen“, schrieb die Uni am Dienstag.
In einem Fall hatte eine 24-Jährige, die keine Studentin der Uni ist, ein Ergotherapie-Praktikum an einer der Kliniken der Gruppe abbrechen müssen, weil sie während der Dienstzeit ein Kopftuch getragen hatte. Die Forderung der Hochschule lautete: Es müsse von der SEG sicher gestellt werden, „dass dort eine Unternehmenspolitik hinsichtlich Diversität und Inklusion umgesetzt wird, die mit den Werten und Regularien der RUB im Einklang ist“. (dpa, iQ)