Islamische Begriffe werden oft missbraucht und verlieren dadurch ihre eigentliche Bedeutung. Im IslamiQ Glossar geht es um die ursprüngliche Bedeutung der Wörter. Heute: Fatwa.
Das Wort „Fatwa“ kommt aus dem Arabischen und bedeutet „Rechtsgutachten“ bzw. ist die Antwort auf eine religiöse Frage. Eine Fatwa ist eine Art Rechtsgutachten für Fragen, in denen der Gläubige nicht imstande ist, alleine zu entscheiden. Denn wie in verschiedenen Wissenschaftsgebieten oder auch im Alltag bedarf es in bestimmten Fragen einer Expertise, um einen wissenschaftlichen bzw. fachlichen Standpunkt erklären zu können und somit zu einem Urteil zu gelangen. Das gilt auch für viele Bereiche der Religion.
Die Fatwa kann schriftlich oder mündlich von einem muslimischen Gelehrten erteilt werden. Sie ist eine auf die spezifische Situation des Gläubigen zugeschnittene Empfehlung, die er sich zu Herzen nehmen kann und in der Regel auch tut. Jedoch ist sie nicht mit einem Gerichtsbeschluss gleichzusetzen, denn dieser ist im Gegensatz zu einer Fatwa bindend.
Die Person, die die Fatwa erteilt, wird als Mufti bezeichnet. In der Regel verfügt er oder sie über eine bestimmte religiöse Autorität und hat ein offizielles Amt inne. Das Gewicht einer Fatwa hängt im Allgemeinen von der Autorität des Ausstellers ab.
Moderne, komplexe Entwicklungen und der gesellschaftliche Wandel haben unter anderem auch in religiösen Angelegenheiten zu Ungewissheiten beigetragen. Dies machte die Gründung von Fatwa-Gremien und Räten notwendig, da eine einzelne Person nicht in der Lage ist, alle Kompetenzen für die sachgerechte Beantwortung einer Frage in sich zu bündeln.
In Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung gibt es demnach oft entweder ein Mufti-Amt, die ein Gelehrter übernimmt und/oder ein Gremium oder eine Institution, die aus Gelehrten aus unterschiedlichen theologischen Wissenschaftsgebieten besteht. Ein Mufti soll grundsätzlich bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Er muss über fundierte Kenntnisse des islamischen Rechts verfügen und die Methodik der Beweisführung beherrschen, um in der Lage zu sein, die vorgestellte Fragestellung einschätzen zu können und diesbezüglich eine Antwort aus Koran und Sunna ableiten zu können.
Die Fatwa des Muftis ist im sunnitischen Islam nicht absolut verbindlich, hat jedoch eine hohe religiöse Relevanz für den einzelnen Gläubigen bzw. für die Gemeinschaft. Im schiitischen Islam sind Fatwas von dazu befugten Instanzen dagegen rechtsverbindlich. Seit der Fatwa Ayatollah Khomeinis gegen den Schriftsteller Salman Rushdie Ende der 1980er-Jahre wird das Wort Fatwa im öffentlichen Diskurs vorwiegend negativ konnotiert und nicht selten als Todesurteil wahrgenommen.
Literatur
Hans Wehr, Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart: Arabisch-Deutsch. 5., neu bearb. u. erw. Aufl., Harrassowitz Verlag, 1985
Richard Heinzmann (Hrsg.), Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam, Herder Verlag, 2013
Ralf Elger (Hrsg.), Kleines Islam-Lexikon, 3. Aufl. C. H. Verlag, 2001