Die Opferberatungsstelle ezra registrierte im vergangenen Jahr eine Zunahme rechtsmotivierter Straftaten. Dabei zählt ezra anders als die Polizei.
Im vergangenen Jahr zählte ezra nach eigenen Angaben insgesamt 119 rechtsmotivierte Angriffe in Thüringen. Das sind deutlich mehr als im Jahr 2020, als ezra etwa 100 derartige Fälle registriert hatte. Ein Grund für den festgestellten Anstieg sei das Auslaufen vieler Corona-Beschränkungen im vergangenen Jahr gewesen, hieß es.
Weil 2020 deutlich schärfere Pandemiemaßnahmen als 2021 galten, habe es für rechtsmotivierte Täter wieder mehr Möglichkeiten zum Zuschlagen gegeben, sagte Zobel. Derartige Angriffe ereigneten sich oft in der Öffentlichkeit, zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch an Haltestellen. Neben körperlichen Attacken zählt ezra unter anderem auch Bedrohungen und massive Sachbeschädigungen als Angriffe. Besonders viele Übergriffe gab es den Angaben nach in Erfurt und Jena.
In ihre Statistik beziehen die Berater sowohl Fälle ein, in denen sich die Betroffenen selbst an ezra gewandt haben, als auch solche Fälle, über die zum Beispiel in den Medien berichtet wurde. Damit zählt ezra anders als etwa die Polizei. Nach Einschätzung von ezra bilden selbst die Zahlen der Organisation selbst aber nur „die Spitze des Eisbergs“ ab.
Zobel sagte, das häufigste Motiv für die Angriffe sei Rassismus. Dies werde einerseits dadurch begünstigt, dass Rassismus in weiten Teilen der Thüringer Bevölkerung entweder verharmlost oder ignoriert werde. Zudem machte Zobel Justiz, Polizei, aber auch der Landespolitik schwere Vorwürfe. Trotz jahrelanger Mahnungen gebe es in Thüringen zum Beispiel noch immer keine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für die Bekämpfung von Hasskriminalität. Weite Teile des Staates versagten im Kampf gegen rechts. Die Gefahr, dass es zu rassistischen oder rechtsextremen Terroranschlägen in Thüringen komme, sei deshalb „extrem hoch“.
Vertreter der rot-rot-grünen Minderheitskoalition im Landtag reagierten besorgt auf die ezra-Zahlen. Sie seien „ein Alarmsignal, das von politischer und sicherheitsbehördlicher Seite gehört werden muss“, sagte die Grüne-Innenpolitikerin Madeleine Henfling. Der SPD-Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus, Denny Möller, sagte, die Statistik zeige auf erschreckende Weise, wie hoch die Bedrohungslage für viele Menschen in Thüringen sei – und dass die amtlichen Zahlen zu rassistischen Angriffen sie offenbar nicht ausreichend erfassten.
Die Linke-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss sagte, die Bedrohungslage habe sich für viele Menschen im Zuge der Proteste von Corona-Leugnern noch verschärft. „Gerade diese Proteste und damit verbundenen Chatgruppen sind Tummelplatz für Verschwörungserzählung, rassistische Stereotype und antisemitische Legenden“, sagte sie. (dpa, iQ)