Weniger Nahrung und mehr Gebet – der Ramadan ist für viele Muslimas und Muslime eine besondere Zeit im Jahr. Büşra und Hüseyin aus Berlin erklären, warum sie fasten und tischen zum Fastenbrechen typische Gerichte auf.
Der Tisch ist gedeckt mit blau-weißem Porzellan, Tulpen blühen in einer Vase. Ein paar Datteln liegen in einer kleinen Schale. „Getrocknete Datteln isst man traditionell zum Fastenbrechen im Ramadan„, erklären Büşra und Hüseyin. In ihrer Wohnung in Berlin-Spandau laden sie dabei zum „Iftar“ ein – so heißt die gemeinsame Mahlzeit nach Sonnenuntergang im muslimischen Fastenmonat.
Aus der Küche zieht vielversprechender Duft in das Wohnzimmer. In der Ferne färbt sich Berlin langsam grau. Das junge Ehepaar hat seit den ersten Sonnenstrahlen um 4.17 Uhr nichts gegessen und getrunken. Hüseyin wirft einen Blick auf sein Smartphone: Heute wird die Sonne um 20.23 Uhr untergehen. Dazwischen solle man nichts in den Körper aufnehmen – kein Essen oder Trinken, keine Medikamente. Auch Geschlechtsverkehr ist untersagt.
Oft bekämen sie die Frage gestellt, ob sie keinen Hunger oder Durst hätten. „Die ersten zwei Tage sind ein bisschen schwierig“, gibt Büşra zu. Hüseyin ergänzt, der Körper gewöhne sich schnell. Nicht nur der Verzicht kennzeichne den Ramadan als heiligen Monat: Muslimas und Muslime besinnen sich auf das Gebet und den Koran. „Im Ramadan wird man spiritueller, man nimmt alles viel bewusster wahr“, beschreibt Büsra. Außerdem prägen soziale Taten wie Spenden oder Gastfreundschaft den Monat. Das junge Ehepaar ist daher zum Iftar oft bei Freunden oder bewirtet andere Fastende sowie interreligiös Interessierte.
Geduldig beantworten die beiden dabei alle Fragen zum Islam. In der Gesellschaft störe sie die Unwissenheit manchmal, aber sie beobachten auch, dass sich manches in den vergangenen Jahren verbessert habe. Beispielsweise wüssten inzwischen viele Menschen in Deutschland, wenn Ramadan ist, freut sich Büsra. Auch im Alltag stehen die beiden regelmäßig Rede und Antwort. „Ich habe inzwischen ein Gespür dafür, wer aus Interesse fragt oder um mich zu provozieren“, sagt Büşra achselzuckend.
Als unangenehm empfinden die jungen Muslime es, wenn Menschen sie vom Fasten abbringen wollten oder Mitleid hätten. „Wir entscheiden das ja freiwillig“, sagt Hüseyin. Kranke, Schwangere und Kinder vor der Pubertät seien auch vom Fasten ausgenommen. „Wobei“, sagt Büşra, „ich als Kind gerne schon mitmachen wollte – zumindest am Wochenende habe ich einige Stunden mitgefastet“.
Die Sonne ist weg. Die beiden beißen in süße, getrocknete Datteln, eine leicht scharfe Linsensuppe wird aufgetischt. Fladenbrot, grüner Salat und Bohnen mit Feta und Balsamico sind ebenso lecker wie die Hauptspeise, die die beiden gemeinsam gekocht haben: Karniyarik genannte, mit Hackfleisch gefüllte Auberginen aus dem Ofen, gefüllte Weinblätter und Reis. Hüseyin schenkt „Reyhan Serbeti“ in die Gläser, ein süßes Getränk aus rotem Basilikum, Hibiskus, Zucker, Zimt und Nelken. Das regele den Blutzucker, erklärt Büşra das typische Iftargetränk.
Büşra und Hüseyin sind um die 30, verheiratet und haben türkische Wurzeln. „Dritte Gastarbeitergeneration“, sagt Hüseyin. Beide studierten islamische Theologie und hätten gerne weiter in der Wissenschaft gearbeitet. „Es gibt so wenig Professuren dafür in Deutschland“, sagt die junge Frau, die über Maria im Islam und im Christentum geforscht hat. Ihr Mann arbeitet als Imam und studiert zusätzlich Jüdische Studien.
Büşra, die neben ihrem Master in Islamischer Theologie noch Pädagogik studiert und in einem Kindergarten arbeitet, möchte dort interkulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit fördern. „Wenn man mit Englisch oder Französisch bilingual aufwächst, wird das sehr positiv aufgenommen. Wir sind auch beide bilingual aufgewachsen, aber das hat niemand als Mehrwert angesehen“, sagt die junge Frau. Sie sitzt vor einem großen Bücherregal, in dem deutschsprachige Bücher neben türkischen und arabischen stehen: Islamische Rechtsschriften neben sieben Bänden Harry Potter, der Koran neben jüdischen Theologiebüchern.
Bevor es zum Nachtisch Baklava und Tee gibt, ziehen die beiden sich kurz zum Gebet zurück. „Wir versuchen, unsere Religion auszuleben und uns an die Regeln zu halten“, sagen sie, die in gläubigen Familien aufgewachsen sind. Es habe ihn als Jugendlichen angetrieben, immer mehr über den Islam und dessen viele Strömungen zu wissen, sagt Hüseyin. Er bedauert, dass wenig Dialog stattfinde. „Imame verschiedener Strömungen kommen nicht einfach mal zum Tee zusammen“, sagt der junge Mann im hellblauen Poloshirt. Und auch der Dialog zwischen verschiedenen Religionen müsse endlich alltäglich werden. (KNA/iQ)