Beim Trauerzug der getöteten Al-Jazeera-Journalistin Schireen Abu Akleh kam zur eskalierenden Gewalt von israelischen Polizisten. Die Videos des Trauerzugs haben international für Bestürzung gesorgt.
Tausende Menschen haben am Freitagnachmittag in Jerusalem der am Mittwoch in Dschenin getöteten Al-Jazeera-Journalistin Schireen Abu Akleh (51) die letzte Ehre erwiesen. Bei dem Trauerzug vom Ostjerusalemer katholischen Sankt-Josef-Krankenhaus zur griechisch-katholischen melkitischen Kathedrale „Unserer Lieben Frau der Verkündigung“ in der Jerusalemer Altstadt und anschließend zum Friedhof auf dem Zionsberg kam es zu Zusammenstößen zwischen Teilnehmern und israelischen Sicherheitskräften.
Augenzeugenberichten zufolge setzten israelische Sicherheitskräfte vor dem Krankenhaus Blendgranaten und Schlagstöcke gegen die versammelte Menge und Journalisten ein. Die Polizei hinderte demnach die Menge daran, den Sarg zu Fuß zur Trauerfeier in der melkitischen Kathedrale zu tragen und gaben den Zug erst frei, nachdem der Sarg in einen Leichenwagen verladen war. Die Polizei begründete ihr Eingreifen mit „nationalistischer Aufwiegelung“ einiger Trauernder sowie Gewalt gegen Beamte.
In der Altstadt versuchten israelische Polizisten zudem, die Straße zur Kathedrale zu blockieren und Muslime am Zugang zu hindern. Zu Handgemengen kam es, als die Polizei palästinensische Fahnen konfiszierte. Das Hissen der palästinensischen Flagge ist in Israel laut einem Urteil des Jerusalemer Amtsgerichts von September 2021 kein Straftatbestand.
Laut Bericht der Zeitung „Haaretz“ nahm die Polizei bei dem Trauerzug sechs Palästinenser fest. Mindestens zehn Personen mussten medizinisch behandelt werden. Auch die Vereinten Nationen kritisierten die Gewalt der israelischen Polizei. “Wir haben gerade das Video davon gesehen und es ist einfach sehr schockierend für uns“, sagte UN-Sprecher Farhan Haq in New York. Der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), Bekir Altaş, twitterte: „Das sind Bilder, die das Grauen dokumentieren; Bilder des Schreckens, des Unrechts. Das sind aber auch Bilder, die zum Nachdenken auffordern, zum Lernen, zur Aufmerksamkeit…“
An der Feier nahmen neben Vertretern der verschiedenen Kirchen sowie muslimischen Repräsentanten auch Diplomaten verschiedener Länder sowie arabisch-israelische Politiker teil. Über der Stadt kreisten Hubschrauber. Die israelischen Sicherheitskräfte waren mit einem hohen Aufgebot im Einsatz.
Die Menge skandierte während des Zugwegs von der Kirche zum nahegelegenen Friedhof Slogans wie „Allahu Akbar“ („Gott ist größer“), „Schireen unsere Märtyrerin“, „Alle zusammen für Schireen, Muslime und Christen“. Zahlreiche Teilnehmer trugen Fotos der getöteten palästinensisch-amerikanischen Christin und Aufkleber mit der Aufschrift „Presse“. Zur Beerdigung auf dem griechisch-orthodoxen Friedhof läuteten die Glocken der verschiedenen Kirchen in der Altstadt.
Abu Akleh war am Mittwoch von einem Schuss tödlich getroffen worden, als sie über eine Razzia der israelischen Armee in der palästinensischen Stadt Dschenin im besetzten Westjordanland berichtete. Ein weiterer Journalist wurde durch einen Schuss verletzt.
Wie es zu dem tödlichen Vorfall kam, ist weiterhin ungeklärt. Augenzeugen berichteten laut örtlichen Medien, die Journalistin sei durch eine Kugel in den Kopf getroffen worden und sofort zusammengebrochen. Eine vorherige Warnung an die Journalisten habe es nicht gegeben.
In einem Zwischenbericht der israelischen Armee von Freitag heißt es, es sei weiterhin unmöglich festzustellen, ob die tödliche Kugel von israelischen Scharfschützen oder militanten Palästinensern abgefeuert wurde.
Israel hatte eine gemeinsame Untersuchung mit der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) sowie die Herausgabe der Kugel zur forensischen Analyse gefordert. Die PA lehnte beide Forderungen ab und erklärte, sie werde ihre eigenen Ermittlungen durchführen sowie den Fall vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bringen.
Mehrere diplomatische Vertreter und Organisationen, darunter der US-Botschafter in Israel, Thomas Nides, und der Auslandspresseverband FPA forderten eine unabhängige und transparente Untersuchung. (KNA, iQ)