Die Bestattungskultur in Deutschland sterbender Muslime ist im Wandel. Immer mehr Kommunen öffnen sich für die islamische Bestattung. IslamiQ hat die wichtigsten Ereignisse zusammengefasst. Eine Chronologie.
Mit der Zunahme der muslimischen Bevölkerung ist der Bedarf einer Bestattung nach islamischem Ritus in Deutschland gewachsen – Tendenz steigend. Ein völlig neues Feld für die Kommunen und Friedhofsämter, was die Zusammenarbeit mit muslimischen Vertretern umso wichtiger macht. Während zudem deutsche Bestattungsgesetze eine Bestattung nach islamischem Ritus erschwerten, gibt es mittlerweile bundesweit große Fortschritte.
In einer Chronologie stellt IslamiQ die wichtigsten Etappen zur Entwicklung von muslimischen Grabfeldern und die Bestattung nach islamischem Ritus dar.
29. Dezember 1866
Der erste islamische Friedhof (“Türkischer Friedhof”) wird in Berlin am Columbiadamm im Ortsteil Neukölln eröffnet. Zum Hintergrund: Der erste ständige Botschafter des Osmanischen Reiches in Preußen, Ali Aziz Efendi, wird 1798 auf der damaligen Tempelhofer Feldmark in Berlin bestattet. In den folgenden Jahren werden weitere türkische Gesandte dort bestattet, so dass Kaiser Wilhelm I. das entsprechende Gelände zur dauerhaften Nutzung als Begräbnisstätte in Berlin-Neukölln der türkischen Gemeinde übergibt.
16. Mai 1941
Als erster Muslim wurde der persische Kaufmann Abbasali Pyrchad nach islamischem Ritus auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg beigesetzt.
17. Dezember 1941
Die Bestattung persische Kaufmann Abbasali Pyrchad nahmen Muslime zum Anlass und erwarben die ersten 102 Grabstellen auf dem Friedhof.
1970
Insgesamt gibt es unter 30 islamische Bestattungen im Jahr bundesweit.
1978
Die Stadt Osnabrück stellt ein Grabfeld auf dem Waldfriedhof Dodeshaus bereit, damit Muslime nach dem islamischen Ritus bestattet werden können. 2008 wurde dieser Bestattungsort für Muslime von einem Grabfeld auf dem Friedhof Nahne abgelöst.
3. Oktober 1988
Im Berliner Landschaftsfriedhof Gatow wird ein weiterer Bereich für Muslime eröffnet
Februar 1994
Offiziellen Statistiken zufolge gibt es bundesweit 17 muslimische Grabfelder kommunalen Friedhöfen. Diese befinden sich in Gebieten mit einem höheren muslimischen Bevölkerungsanteil, wie im Ruhrgebiet, Hamburg, Frankfurt und Berlin.
1995
Mittlerweile gibt es bundesweit rund 54 muslimische Grabfelder auf kommunalen Friedhöfen.
1996
Insgesamt gibt es 200-300 islamische Bestattungen im Jahr bundesweit.
April 1998
Die Sargpflicht in Hamburg wurde gelockert.
17. Juni 2003
In Nordrhein-Westfalen wird die Sargpflicht komplett gestrichen. Dies erfolgte durch die Anpassung des NRW-Bestattungsgesetzes.
8. Dezember 2005
Niedersachsen hebt die Sargpflicht mit dem neuen Bestattungsgesetz auf. Demnach kann die Gesundheitsbehörde Ausnahmen von der Sargpflicht zulassen, wenn in der zu bestattenden Person ein wichtiger Grund vorliegt und ein öffentlicher Belang nicht entgegensteht. Seitdem ist es möglich, Tote auch nach islamischem Brauch ohne Sarg nur in einem Tuch zu beerdigen. Einige Städte wie etwa Hannover hatten schon früher praktische Regelungen zur Beisetzung von Muslimen getroffen, ohne dass es eine gesetzliche Regelung gab.
15. Dezember 2010
Das Land Berlin lockerte mit dem „Gesetz zur Regelung von Partizipation und Integration in Berlin“ die Sargpflicht.
2. Februar 2013
In Hessen wurde die Sargpflicht 2013 durch die Änderung des Bestattungsgesetzes. Immer mehr Muslime lassen sich deshalb in Hessen beerdigen statt in ihren Herkunftsländern.
26. März 2014
Der baden-württembergische Landtag verabschiedet mit den Stimmen aller Fraktionen ein neues Bestattungsgesetz. Nun ist es gläubigen Muslimen gestattet nach islamischen Riten ohne Sarg, nur in einem Tuch gewickelt, bestattet zu werden.
21. Februar 2014
In Mainz sind islamische Bestattungen künftig möglich. Nach dem es schon seit 1978 ein muslimisches Grabfeld auf den Friedhöfen gibt, und vor etwa drei Jahren ein Gebäude für die rituelle Totenwaschung am Waldfriedhof im Stadtteil Mombach eingerichtet wurde, stellt die Aufhebung der strengen Sargpflicht und die Einführung von Tuchbestattungen einen weiteren Meilenstein in dieser Entwicklung dar. Im rheinland-pfälzischen Bestattungsgesetz ist eine muslimische Bestattung nicht explizit geregelt.
2014
In Berlin gab es 2014 nur 13 islamische Bestattungen ohne Sarg, ein Jahr später bereits 147.
2015
Einen Sargzwang gibt es nur noch in vier Bundesländern: Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
10. Juni 2015
Die evangelische Zwölf-Apostel-Gemeinde in Berlin-Schöneberg stellt knapp 350 Grabstellen für Muslime bereit.
2015
In Sachsen-Anhalt ist der Antrag von den Grünen und Linken für die Änderung des Bestattungsgesetzes gescheitert. CDU und SPD lehnten es im Sozial- und im Rechtsausschuss des Landtages ab, sich weiter mit den Gesetzentwürfen von Grünen und Linken zu befassen.
27. Oktober 2016
Da die Zahl der islamischen Bestattungen in Berlin sprunghaft gestiegen ist, wurde mehr Raum für muslimische Bestattungen geschaffen. Auf dem Friedhof Ruhleben wurde ein 1300 Quadratmeter großes Feld für 133 Grabstellen eröffnet. Dort seien auch Bestattungen ohne Sarg möglich, teilten die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf mit. Bei Bedarf könne das Feld ab 2020 um 2000 Quadratmeter erweitert werden.
Dezember 2017
Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz nimmt mit der neuen Mustersatzung die Möglichkeit der Tuchbestattung auf und sieht spezielle Grabfelder für religiöse Bestattungen vor.
Februar 2017
In Wuppertal soll Ende des Jahres der bundesweit erste muslimische Friedhof ohne Liegezeit-Frist entstehen. Das Projekt soll von den muslimischen Gemeinden betrieben werden.
2018
Das Friedhofsprojekt in Wuppertal wird aufgrund fehlender finanzieller Mittel verschoben.
19. November 2018
Eine Expertenkommission zur Modernisierung des Bestattungsgesetzes in Mecklenburg-Vorpommern ist erstmals im Schweriner Landtag zusammengekommen. Da die Sargpflicht nicht explizit geregelt ist, befürwortet die Kommission, das Nichtbestehen der Sargpflicht gesetzlich klar zu stellen. Dazu solle folgender Absatz eingefügt werden: „Die Beisetzung bei einer Erdbestattung hat ohne Sarg zu erfolgen, wenn dies dem Willen des Verstorbenen entspricht.“
05. Juli 2019
Sargpflicht in Bayern: Nach jahrelanger Ablehnung durch CSU und Staatsregierung könnte die Sargpflicht in Bayern in absehbarer Zeit gelockert werden – allerdings nicht sofort. Die Koalitionsmehrheit von CSU und Freien Wählern lehnte zwei entsprechende Gesetzentwürfe von Grünen und SPD im Landtag ab.
10. Oktober 2019
Nach jahrelanger Ablehnung durch CSU und Staatsregierung hat der bayerische Landtagsausschuss am 10.10.19 einen Antrag angenommen, der eine Überarbeitung der Bestattungsverordnung dahingehend vorsieht, eine sarglose Erdbestattung in religiös und weltanschaulich begründeten Fällen künftig möglich zu machen. Die Bestattungsverordnung soll künftig sarglose Erdbestattungen in religiös und weltanschaulich begründeten Fällen ermöglichen.
Stand 2020
Aktuell ist in jeder Großstadt ein muslimisches Grabfeld vorhanden, sowie auch in kleineren Städten. Zu den bundesweit über 300 muslimischen Grabfeldern auf städtischen Friedhöfen erfolgt keine Erfassung der Bestattungen auf Bundes- oder Länderebene. Das Verfahren ist nicht standardisiert, ortsabhängig und somit Aufgabe der kommunalen Friedhofsverwaltung und des Grünflächenamtes. Während manche Städte detaillierte Daten erfassen (z.B. Hamburg), werden in anderen Städten weniger Daten erhoben (z.B. München).
01. April 2021
Die Sargpflicht in Bayern wird aufgehoben. Künftig können Muslime in Bayern nach dem islamischen Ritus bestattet werden.
In den Bundesländern Sachsen und Sachsen-Anhalt gilt die Sargpflicht weiterhin. In Bayern fehlt es noch an der Umsetzung, die Pflicht ist jedoch gekippt.