Bis zur Sommerpause im nächsten Jahr soll das Ergebnis vorliegen: Bis dahin muss der Untersuchungsausschuss zu den rassistisch motivierten Morden in Hanau noch etliche Zeugen befragen und Akten sichten.
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zu den rassistisch motivierten Morden in Hanau erhofft sich einen deutlichen Schub für die Aufklärungsarbeit durch die Befragung des Generalbundesanwalts. Der Behördenchef und ein Dezernent sollen am 4. Juli in voraussichtlich nicht öffentlicher Sitzung befragt werden, sagte der Ausschussvorsitzende Marius Weiß (SPD) am Montag in Wiesbaden. Dabei werde es unter anderem um ein Video aus einem Polizeihubschrauber gehen, das dem Ausschuss nicht übermittelt worden sei. Die Befragung soll sich auch um Aktenschwärzungen und die Klassifizierung von weiterem Material drehen.
Bei der Tat hatte ein 43-jähriger Rechtsextremist am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst. Der Untersuchungsausschuss soll klären, ob es vor, während und nach der Tat zu einem Behördenversagen gekommen war. Das Gremium hatte sich Mitte 2021 konstituiert und Anfang Dezember zum ersten Mal öffentlich im hessischen Landtag in Wiesbaden getagt.
Der Untersuchungsausschuss habe für seine Arbeit bislang von 14 Behörden 369 Aktenordner mit rund 175 000 Blatt Papier erhalten und gesichtet. „Dies entspricht aneinandergelegt rund 51 Kilometern und damit ungefähr der Luftlinie von Wiesbaden nach Hanau“, sagte Weiß in einer Zwischenbilanz zu den Untersuchungen. Dazu kämen sieben DVD mit rund 160 Gigabyte Daten. Davon seien rund 68 Gigabyte Videodateien, ein Gigabyte Audiodateien und vierzehn Gigabyte Bilddateien. Es sei noch mit der Übersendung weiterer Akten zu rechnen.
In siebzehn Sitzungen seien bislang zwanzig Zeugen sowie sechs Sachverständige gehört worden, erklärte Weiß. Um den Angehörigen der Opfer ebenfalls Raum zu geben, hatte sich der Ausschuss darauf verständigt, zunächst jeweils eine Person aus dem Umfeld jedes Opfers zu Wort kommen zu lassen. „Wir haben bewegende Statements gehört, die allen Ausschussmitgliedern unter die Haut gingen.“
Die nächsten sieben Zeuginnen und Zeugen seien für den Ausschuss bereits geladen. Außerdem seien derzeit noch 69 weitere Zeugen und zwanzig Sachverständige benannt. Der Ausschuss befinde sich im dritten von sechs Themenbereichen. „Es ist mein erklärtes Ziel für den Ausschuss zu einem Ergebnis zu kommen“, betonte der Vorsitzende. „Bestenfalls gelingt uns dies vor der Sommerpause 2023.“
Der Obmann der CDU-Fraktion im Untersuchungsausschuss, Jörg Michael Müller, nannte es nicht nachvollziehbar, dass der Generalbundesanwalt bislang noch nicht alle angeforderten Akten und Beweismittel vorgelegt habe. Trotz noch offener Fragen etwa zu den Waffenbehörden und dem Notausgang einer Bar stehe aber bereits fest, dass die hessischen Polizei- und Ermittlungsbehörden den Anschlag nicht hätten verhindern können.
Nach Einschätzung der Obfrau der Grünen-Fraktion, Vanessa Gronemann, stößt die Arbeit des Ausschusses immer wieder an Grenzen, da sich Zeugen wegen laufender Ermittlungsverfahren auf ihr Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht beriefen. Auch lägen noch nicht alle angeforderten Akten vor. Gerade seitens des Generalbundesanwaltes gestalte sich die Herausgabe der Akten und deren Einstufung für eine öffentliche Verwendung als äußerst mühselig.
Der Obmann der FDP-Fraktion, Jörg-Uwe Hahn, sagte, die bisher im Ausschuss angehörten Vertreter der Behörden von Staatsanwaltschaft bis hin zur Polizei sowie die Einsatzkräfte seien nach bisherigem Kenntnisstand gewissenhaft mit den ihnen vorliegenden Informationen zu dem Täter umgegangen. „Ein Behördenversagen ist bislang nicht zu erkennen.“ Es müsse aber noch vieles aufgeklärt werden wie etwa den Waffenbesitz des Täters und den Hubschraubereinsatz.
Robert Lambrou, Obmann der AfD-Fraktion im Ausschuss, sprach von einer konstruktiven Atmosphäre bei der Ausschussarbeit. Es gebe jedoch eine mangelhafte Zuarbeit von Informationen durch die Generalbundesanwaltschaft, die die Arbeit erschwere. „Dies führt auch mit dazu, dass es zu teilweise fragwürdigen Spekulationen kommt, die die Ausschussarbeit unnötig belasten.“
Nach Meinung von Saadet Sönmez, Obfrau der Linksfraktion, zeigt der bisherige Verlauf, dass es der Landesregierung und ihren Behörden an Aufklärungswillen mangelt. Weder gebe es eine eigenständige transparente Aufklärung in Bezug auf das Versagen des Notrufs, noch bezüglich des Polizeieinsatz am Täterhaus in der Tatnacht. Auch lägen die Videos des Überwachungshubschraubers nicht vor. (dpa/iQ)