Mit Mehmet Kılınç ist ein Pionier des muslimischen Lebens in Bremen gestorben. Für viele war er ein Vertrauter und Weggefährte. In einem Nachruf ehrt der ehemalige Vorsitzende des Islamrats, Ali Kızılkaya, seinen langjährigen Freund.
Pioniere haben es nicht einfach. Weil sie ihrer Zeit voraus sind, werden sie von den Zeitgenossen nicht immer verstanden. Mehmet Kılınç ist einer dieser Pioniere. Ich habe ihn Anfang der 80er-Jahre kennengelernt. Gemeinsam engagierten wir uns in der muslimischen Jugendarbeit. Auch besuchten wir dieselbe Hochschule. Allah sei Dank blieben wir bis zu seinem Ableben Weggefährten für ein muslimisches Leben in Deutschland.
Mehmet Kılınç war ein vielseitiger, frommer und weltgewandter Mensch. Mit seiner besonderen Art konnte er Jugendliche für die ehrenamtliche Tätigkeit in der Moschee gewinnen oder sie für eine Ausbildung oder ein Studium begeistern. Gerade benachteiligte Jugendliche, die sich keine Ausbildung und Studium zugetraut haben, konnte er begeistern und motivieren. Zur Not half er ihnen bei den Hausaufgaben oder gab ihnen Nachhilfe. Viele Jugendliche haben dank ihm studiert. Die Jugendarbeit war für ihn eine Herzensangelegenheit. Das hat sich sein ganzes Leben lang nicht geändert.
In unserer mehr als 40 Jahre andauernden Freundschaft haben wir viel erlebt. Über seine Wohltaten, die er im Stillen durchführte, sprach er kaum, es sei denn man war Zeuge und fragte ihn danach. Doch auch dann fielen seine Antworten immer bescheiden aus.
Mehmet Kılınç war studierter Maschineningenieur. Seinen Beruf hat er aber nie ausgeübt. Er folgte seiner Berufung: Gutes für die Muslime und die Gesellschaft tun. Jahrelang hat er sich für die Institutionalisierung der muslimischen Gemeinschaft engagiert. Und das mit Erfolg. Er ist „Ideen-Vater“ des Staatsvertrages der Muslime und des Landes Bremen und Mitbegründer der Islamischen Föderation Bremen. Jahrelang haben wir gemeinsam im Zentralinstitut Islam Archiv wichtige Dienste geleistet. Eigentlich haben sich unsere Wege nie getrennt. Auch, wenn wir lange Zeit geografisch getrennt waren, haben wir uns immer ideell unterstützt und unseren Kontakt und unsere Solidarität als Weggefährten gepflegt.
Wir waren als Mitstreiter für das Gute und die „Etablierung“ des Islams in Deutschland und als Brüder im Glauben verbunden. Noch vor drei Monaten kam er mich besuchen. Obwohl er sehr stark von seiner Krebskrankheit gezeichnet war und auf einem Rollstuhl saß, reiste er allein mit der Bahn von Bremen nach Köln, um mich zu besuchen. Eine ehrenvolle und rührende Geste, die ich ein Leben lang nicht vergessen werde.
Mehmet Kılınç war immer für Überraschungen gut. Auch auf große Probleme und Herausforderungen konnte er stets humorvoll reagieren. Auch private Probleme hat er mit einem gewissen Humor aufgenommen. Sein starker Glaube machte das möglich. Diese Grundhaltung hatte für die Gemeinschaft und vor allem für die Jugend einen sehr motivierenden Charakter.
Mein Freund Mehmet war ein vielseitiger Mensch. Er war staatlich anerkannter Übersetzer, aber seine Hauptzeit verbrachte er als Berater für alle „Lebenslagen“. Jeder, egal ob jung oder alt, suchte bei ihm nach Rat. Er war immer geduldig und verlässlich, Tugenden, die heutzutage leider rar sind.
Eigentlich ist er vielmehr gewesen, als das, was ich hier niedergeschrieben habe. Ich fürchte sogar, dass ich seine wichtigsten Beiträge für die Muslime und auch der Gesellschaft ausgelassen habe.
Mein lieber Bruder Mehmet ist von uns gegangen. Die muslimische und die nichtmuslimische Gesellschaft hat einen sehr engagierten und weisen Dialogpartner verloren. Ich hoffe, dass wir und seine Schüler weiterhin von seinen Erfahrungen schöpfen können.
Wir sind ihm für sein Engagement dankbar. Möge Allah unseren lieben Bruder mit dem Paradies belohnen.
Amin!