Lebenslange Haft für den Mörder von Walter Lübcke und dennoch ein bitterer Nachgeschmack bei allen Prozessbeteiligten nach dem Prozess: Anklage, Verteidigung und Nebenklage legten Revision ein. Am Donnerstag befasst sich der Bundesgerichtshof damit.
Der Mord an dem damaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 war eine Zäsur: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde ein aktiver Politiker von einem rechtsextremen Täter ermordet. Der Fall verschärfte auch den Blick aus Hass im Netz, denn Lübcke war in sozialen Medien bedroht worden.
Im Mordprozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt wurde der damals 47 Jahre alte Rechtsextremist Stephan E. wegen des Mordes an Lübcke im Januar 2021 zu lebenslanger Haft verurteilt. Ernst hatte die Tat gestanden. Der wegen Beihilfe angeklagte Markus H. hingegen wurde von diesem Vorwurf freigesprochen und erhielt lediglich eine Bewährungsstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes.
In der mündlichen Urteilsbegründung wurde deutlich: Auch die Richter hatten um die Entscheidung gerungen. Am Ende ging es dann wohl darum, was stärker wog – die vorgelegten Beweise oder die Zweifel. An diesem Donnerstag befasst sich der Bundesgerichtshof mit der von allen Verfahrensbeteiligten eingelegten Revision.
Denn das mit Spannung erwartete Urteil des OLG-Staatsschutzsenats hatte weder die als Nebenkläger auftretenden Angehörigen Lübckes noch die Angeklagten zufriedengestellt. Die Bundesanwaltschaft legte Revision ein, ebenso wie der zweite Nebenkläger Ahmed I. Der Flüchtling aus dem Irak war 2016 bei einem Messerangriff schwer verletzt worden. E. wurde auch diese Tat als versuchter Mord zur Last gelegt. Er wurde jedoch von diesem Vorwurf mangels ausreichender Beweise freigesprochen – nach dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten.“ Auch die Bundesanwaltschaft legte gegen diesen Teil des Urteils Revision ein.
„Mit Einlegung der Revision verfolgt die Familie das Ziel, dass der Freispruch gegen Markus H. aufgehoben wird und es einen neuen Strafprozess gegen Markus H. gibt“, sagte der Sprecher der Familie, Dirk Metz, vor der Verhandlung in Karlsruhe. „Die Familie ist aufgrund einer Vielzahl an Indizien überzeugt, dass der Mitangeklagte Markus H. die Tat zusammen mit Stephan E. geplant und vorbereitet hat und beide zudem den Mord in der Nacht vom 01. auf den 02. Juni 2019 auch gemeinsam ausgeführt haben.“ In Karlsruhe dürften auch Vertreter der Familie vor Ort die BGH-Verhandlung verfolgen.
Der Verteidiger von Stephan E. wiederum hatte in seinem Plädoyer auf eine Verurteilung wegen Totschlags hingewirkt. In seinem Plädoyer hatte der Rechtsanwalt Mustafa Kaplan auch immer wieder Markus H., den früheren Arbeitskollegen und Freund von E., in den Mittelpunkt gerückt. Er glaube seinem Mandanten, dass dieser zusammen mit H. die Tat geplant und ausgeführt habe. H. ist ebenfalls als Rechtsextremist bekannt. E. bezeichnete ihn in seiner Einlassung als seinen „Anker“, eine Zeugin beschrieb das Verhältnis der beiden Männer als „Denker“ H. und „Macher“ E..
Kaplan will auch erreichen, dass die bislang unter Vorbehalt stehende Sicherungsverwahrung für E. vom Tisch kommt, wie er dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ sagte. „Es fehlt aus meiner Sicht an Argumenten, die Stephan E. als besonders gefährlich erscheinen lassen.“ Der Verteidiger betonte, dass sein Mandant von dem Anklagevorwurf des versuchten Mordes 2016 freigesprochen worden sei. „Das Urteil hätte sich bei dem Vorbehalt der Sicherungsverwahrung zwingend mit dem Freispruch auseinandersetzen müssen“, sagte er dem Magazin. Das sei nicht geschehen. (dpa/iQ)