Laut einer Studie macht der Anteil kirchlicher Bestattungen noch knapp 50 Prozent aus. Experten sprechen von einem Wandel und Vielfalt der Bestattungskultur. Insbesondere Muslime tragen zur Vielfalt bei.
Der Anteil kirchlicher Bestattungen macht bundesweit erstmals unter die 50-Prozent-Linie gefallen. Das ergab eine am Donnerstag in Königswinter veröffentlichte Auswertung der Verbraucherinitiative Bestattungskultur „Aeternitas“. 2020 wurden demnach in Deutschland 489.664 Bestattungen (49,7 Prozent) katholisch oder evangelisch begleitet. Im Jahr 2000 machte der Anteil kirchlicher Begräbnisse noch 71,5 Prozent aus.
Einen Wandel stellen die Experten auch bei der Form der Bestattungen fest. Wurden vor 30 Jahren noch weniger als ein Drittel der Verstorbenen eingeäschert, sind es mittlerweile rund 70 Prozent. „Traditionen, Konventionen und religiöse und familiäre Bindungen verlieren an Bedeutung“, so fasst es der Vorstand der Verbraucherinitiative, Christoph Keldenich, zusammen. „Mobilität und Vielfalt der Lebensentwürfe nehmen zu.“ Das klassische, über Generationen gepflegte Familiengrab wird zum Auslaufmodell. Auf der anderen Seite zunehmend persönlich gestaltete Grabmale.
Die Zahl der Baumbestattungen nimmt weiter zu, sagt Aeternitas-Pressesprecher Alexander Helbach. Rund 250 Bestattungswälder gebe es mittlerweile in Deutschland, schätzt er. Rund fünf Prozent der Bestattungen finden dort statt. Mittlerweile haben auch Kirchen und Kommunen reagiert: Auch auf immer mehr öffentlichen Friedhöfen sind Baumbestattungen möglich.
Während andere europäische Länder inzwischen erlauben, die Asche Verstorbener auch daheim aufzubewahren, bleibt Deutschland streng. Lediglich Bremen erlaubt seit 2015, die Asche von Verstorbenen unter bestimmten Voraussetzungen auf Privatgrundstücken und festgelegten öffentlichen Flächen zu verstreuen.
Insbesondere die Kirchen wehren sich gegen eine Aufhebung der Friedhofspflicht. Sie warnen vor einem Verlust an Trauerkultur; Friedhöfe sollten als Orte des Gedenkens, der Mahnung und des gemeinschaftlichen Trauerns erhalten bleiben. Auch Städte und Gemeinden haben ein Interesse am Erhalt von Friedhöfen. Schließlich können sie ihre Kosten kaum noch decken, weil es immer weniger Erdbestattungen gibt.
Weit flexibler sind die Regelungen zum Sargzwang: Insbesondere aus Rücksicht auf Muslime, bei denen die Bestattung in einem Leichentuch stattfindet, wurden in allen Bundesländern bis auf Sachsen und Sachsen-Anhalt Ausnahmen von der Sargpflicht zugelassen. Solche Vielfalt war lange unmöglich: Friedhofspflicht und Sargzwang prägten die Bestattungskultur. Im Preußischen allgemeinen Landrecht von 1794 kam dies zu der Vorschrift, dass Tote nur auf festgelegten Flächen außerhalb der bewohnten Orte beerdigt werden durften. Seit 1934 gilt dies zwingend auch für die Asche von Toten. Eine Ausnahme ist die Seebestattung.
Wie ist mit den islamischen Bestattungen in Deutschland aussieht, könnt Ihr in unserer Chronologie „Islamische Bestattungen in Deutschland“ nachlesen.