Unternehmen können ihren Mitarbeitern unter Umständen das Tragen des Kopftuchs verbieten. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Die Entscheidung stößt auf Kritik, da sie Musliminnen ausgrenze. IslamiQ hat das Urteil zusammengefasst.
Unternehmen können ihren Mitarbeitern unter Umständen das Tragen von religiösen Zeichen wie dem Kopftuch verbieten. Wenn eine solche Neutralitätsregel allgemein und unterschiedslos auf alle Mitarbeiter angewandt werde, sei das keine unmittelbare Diskriminierung, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg. Hier die Zusammenfassung.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die muslimischen Glaubens ist und das islamische Kopftuch, trägt, bewarb sich im Rahmen ihrer Berufsausbildung bei der Beklagten um ein unbezahltes Praktikum von sechs Wochen. Bei dem Bewerbungsgespräch teilten ihr die Verantwortlichen der Beklagten mit, dass sie ihre Bewerbung positiv bewerteten, und fragten sie, ob sie bereit sei, die bei ihr in der Arbeitsordnung enthaltene Neutralitätsregel einzuhalten und ihr Kopftuch abzunehmen. Da die Klägerin dies verneinte, wurde ihre Bewerbung nicht angenommen.
Kurz darauf bewarb sich die Klägerin erneut bei der Beklagten und schlug vor, eine andere Kopfbedeckung zu tragen. Die Beklagte teilte ihr jedoch mit, dass in ihren Geschäftsräumen grundsätzlich keine Kopfbedeckung erlaubt sei, sei es eine Mütze, eine Kappe oder ein Kopftuch. Daraufhin zeigte die Klägerin die Diskriminierung durch das Unternehmen bei einer Antidiskriminierungsstelle an und erhob eine Unterlassungsklage bei dem zuständigen belgischen Arbeitsgericht.
Dieses beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH Fragen bezüglich der Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG1 vorzulegen.
Unter Berufung auf seine bisherige Rechtsprechung legt der EuGH auch dar, dass eine solche interne Regel eine mittelbar auf der Religion oder der Weltanschauung beruhende Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 darstellen könne, wenn die dem Anschein nach neutrale Verpflichtung, tatsächlich dazu führe, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden.
Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78 würde eine solche Ungleichbehandlung jedoch keine mittelbare Diskriminierung im Sinne ihres Art. 2 Abs. 2 Buchst. b darstellen, wenn sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt wäre und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich wären. Eine sachliche Rechtfertigung stelle der Wunsch eines Arbeitgebers dar, den Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln. Dies gehöre zur unternehmerischen Freiheit, die in Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt sei.
Jedoch betont der EuGH auch, dass der bloße Wille eines Arbeitgebers, eine Neutralitätspolitik zu betreiben, für sich genommen nicht ausreiche, um eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung sachlich zu rechtfertigen, da eine sachliche Rechtfertigung nur bei Vorliegen eines wirklichen Bedürfnisses des Arbeitgebers festgestellt werden könne, das er nachzuweisen habe.
Schließlich führt der Gerichtshof aus, dass Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 es einem nationalen Gericht nicht verwehre, im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen denen der Religion oder der Weltanschauung größere Bedeutung beizumessen als denen, die sich u. a. aus der unternehmerischen Freiheit ergeben, soweit sich dies aus seinem innerstaatlichen Recht ergebe. In einem solchen Fall kann der Gewissens- und Religionsfreiheit daher ein stärkerer Schutz gewährt werden als anderen Freiheiten wie der in Art. 16 der Charta anerkannten unternehmerischen Freiheit.
Allerdings könne der den Mitgliedstaaten eingeräumte Wertungsspielraum nicht so weit gehen, dass es ihnen oder den nationalen Gerichten erlaubt wäre, einen der in Art. 1 der Richtlinie 2000/78 abschließend aufgeführten Diskriminierungsgründe in mehrere Gründe aufzuspalten, da sonst der Wortlaut, der Kontext und der Zweck dieses Grundes infrage gestellt würden und die praktische Wirksamkeit des allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf beeinträchtigt würde.