Nach dem mörderischen Brandanschlag von Rechtsextremisten in Solingen blieb Mevlüde Genç besonnen. Obwohl sie ihre Familie verlor, rief sie zu Frieden und Versöhnung auf. Tausende nahmen am Dienstag von ihr Abschied.
Mehr als 1000 Menschen haben am Tatort des rechtsextremen Brandanschlags von Solingen Abschied von Mevlüde Genç genommen. Genç war in der Nacht von Samstag auf Sonntag im Alter von 79 Jahren gestorben. Sie hatte bei dem verheerenden Brandanschlag von Rechtsextremisten 1993 zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verloren. Trotzdem hatte sie nach der mörderischen Tat zur Versöhnung aufgerufen.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), die Ministerinnen Mona Neubaur und Josefine Paul (beide Grüne), weitere Spitzenvertreter der Landespolitik und der türkische Botschafter waren am Dienstag in die Untere Wernerstraße nach Solingen gekommen, wo der Sarg der Bundesverdienstkreuzträgerin, flankiert von einer deutschen und einer türkischen Fahne unter freiem Himmel aufgebahrt war. Er sollte nach der Zeremonie zur Beerdigung in die Türkei überführt werden.
Genç habe „etwas Unvorstellbares geschafft“, sagte Wüst. Sie habe trotz des entsetzlichen Verlusts „die Hand gereicht für Frieden und Versöhnung. Sie hat dem Hass Liebe entgegengesetzt.“
Am 29. Mai 1993 hatten Rechtsextreme das Haus der Familie in Solingen in Brand gesetzt. Das Ehepaar Genç verlor zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte. 17 Familienmitglieder überlebten zum Teil schwer verletzt. Die Brandruine war später abgerissen worden. An ihrer Stelle wachsen inzwischen drei Kastanien. Schon kurz nach dem Attentat hatte Mevlüde Genç zur Versöhnung aufgerufen und immer wieder gemahnt, dass dem Hass Einhalt geboten werden müsse.
Sie sei „eine große Frau, der wir so vieles zu verdanken haben“, sagte Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach. „Lasst uns Freunde sein!“ sei ihr Leitspruch gewesen. „uns allen ist eine Mutter gestorben, die uns in den Arm genommen hat.“ Anschließend sprach der Imam der Solinger DITIB-Gemeinde das Totengebet.
In den vergangenen Tagen hatten bereits Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz und muslimische Vertreter Mevlüde Genç gewürdigt. „Der Todestag von Mevlüde Genç wird ebenfalls einen festen Platz in unserem Kalender haben. Wir werden uns erinnern an eine starke und außergewöhnliche Frau, die uns ein wertvolles Erbe hinterlassen hat“, erklärte IGMG-Generalsekretär Ali Mete in einer Mitteilung. (dpa, iQ)