Vor zehn Jahren hat Hamburg einen Staatsvertrag mit den islamischen Religionsgemeinschaften unterzeichnet. Ein Novum in Deutschland. IslamiQ hat die wichtigsten Ereignisse zusammengefasst. Eine Übersicht.
Am 13. November 2012 wurde der erste Staatsvertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, der Schura – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg, und dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) sowie die Unterzeichnung des Vertrages zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. unterzeichnet. Die Verträge bilden seit nunmehr fast zehn Jahren die Grundlage für kooperative Beziehungen in vielen Bereichen des religiösen und gesellschaftlichen Lebens.
Aktuell leben in Hamburg mehr als 200.000 Muslime. Neben der Anerkennung islamischer Feiertage, die gemeinsame Gestaltung des Religionsunterrichts sowie die Regelungen rund um die Seelsorge, ermöglicht der Staatsvertrag eine stärkere Partizipation muslimischer Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben.
Die wichtigsten Etappen der letzten Jahre finden Sie hier.
10. Oktober 2006
Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust kündigte bei einem Besuch in der Centrum-Moschee an, mit Muslimen über einen Staatsvertrag sprechen zu wollen.
08. Juni 2007
Erste Gespräche über einen Staatsvertrag mit islamischen Religionsgemeinschaften beginnen.
13. November 2012
Hamburg unterzeichnet als erstes Bundesland Deutschlands einen Staatsvertrag mit den islamischen Religionsgemeinschaften Schura Hamburg, Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) und Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ). Fortan können Muslime den Religionsunterricht mitgestalten und die islamischen Feiertage (Ramadan, Kurban und Aschûra) werden kirchlichen Feiertagen gleichgestellt. Muslime haben an solchen Tagen ein Recht auf berufliche und schulische Freistellung, wie es auch für christliche Arbeitnehmer gilt. Der Vertrag muss aber noch von der Hamburger Bürgerschaft bestätigt werden.
13. Juni 2013
Bereits seit Monaten streiten Befürworter und Gegner in den Ausschüssen der Hamburger Bürgerschaft über den Staatsvertrag mit Muslimen. Letztendlich wird der Staatsvertrag in der Hamburgischen Bürgerschaft mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken gegen die von FDP und einem Teil der CDU beschlossen.
11. Januar 2017
Streit um den Staatsvertrag: Die FDP-Fraktion in der Bürgerschaft will den Vertrag auflösen, die CDU-Fraktion ihn „aussetzen“. Die DITIB steht in Verdacht, „eine von der türkischen Regierung gesteuerte Organisation“ zu sein. Dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) wirft die FDP vor, „Instrument der iranischen Staatsführung“ zu sein.
01. Februar 2017
Die Hansestadt Hamburg hält am Staatsvertrag fest. Die Bürgerschaft lehnte mit den Stimmen der rot-grünen Koalition und der Linken eine Kündigung ab.
24. Februar 2017
Aufgrund der Spitzel-Affäre von DITIB-Imamen fordert die CDU-Bürgerschaftsfraktion den Hamburger Senat auf, den Staatsvertrag aufzulösen.
31. Januar 2018
CDU und FDP fordern die Aussetzung der Staatsverträge in Hamburg, weil einzelne Funktionäre der DITIB-Nord und der Schura sich privat für den türkischen Militäreinsatz in Syrien ausgesprochen haben sollen. In einer mit „Kein Platz für Nationalismus, Hass und Gewalt“ überschriebenen Pressemitteilung distanziert sich die Schura davon und sieht die Aufgabe als Religionsgemeinschaft darin, zu Frieden, Verständigung und Ausgleich anzuhalten. Der Schura gehören sowohl türkischstämmige als auch kurdischstämmige Moscheegemeinden an.
29. März 2019
Die Hamburger Bürgerschaft stimmt einem Antrag von SPD und Grüne zu, der Imame vor der Einreise zu einem Sprachtest verpflichten soll. Die Schura Hamburg kritisiert das Vorhaben. „Die Freiheit der Religionsgemeinschaften, ihr religiöses Personal selbst zu bestimmen, sollte nicht durch staatliche Regulierung eingeschränkt werden“, erklärt die Schura.
20. Juni 2019
Die Koalitionsfraktionen (SPD und Grüne) sowie die Linke verteidigen die mit den islamischen Religionsgemeinschaften geschlossenen Staatsverträge. CDU, FDP und AfD wollen die Kündigung. Als Grund wird die Beteiligung des IZH an der Qudstag-Demonstration in Berlin. 2019 hatte sich das IZH von der Demonstration distanziert.
29. November 2019
Zum Schuljahr 2020/2021 möchte Hamburg als erstes Bundesland einen Religionsunterricht in interreligiöser Trägerschaft einführen.
21. September 2020
Die CDU fordert Konsequenzen im Hinblick auf den Staatsvertrag. Das Problem sei das IZH als „einflussreichstes Zentrum“ regierungstreuer Iraner in Deutschland. Die SPD sieht keinen Grund, den Staatsvertrag infrage zu stellen. Die Schura weist die Vorwürfe gegen das IZH als „haltlos und unbegründet“ zurück.
24. August 2022
Die Senatskanzlei hat gemeinsam mit den islamischen Religionsgemeinschaften und Experten aus der Zivilgesellschaft einen Fachtag zur Evaluation der Verträge durchgeführt.
Noch in diesem Jahr sollen die letzten zehn Jahre des Hamburger Staatsvertrags evaluiert werden. Die Ergebnisse der Auswertungen wird der Senat in einem Bericht an die Hamburgische Bürgerschaft zusammenfassen, der noch in diesem Jahr fertiggestellt werden wird.